In der Herbstsession hat das Bundesparlament über die SVP-Initiative "10 Millionen Schweiz" befunden und ihr eine Abfuhr erteilt. Sie soll auch ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung kommen. Ob dies taktisch richtig ist, mag ich zu bezweifeln, denn ich bin davon überzeugt, dass viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger diese Initiative annehmen werden. Denn die Zuwanderung hat nicht nur eine Sonnenseite, indem sie für genügend Arbeitskräfte sorgt, sondern auch einige Schatten: Verstopfte Strassen, überfüllte öV, wenig Wohnraum usw.
Das stetige Problem bei den Zuwanderungsdiskussionen: Vorspeise, Hauptspeise und Dessert werden jeweils auf einem einzigen Teller serviert. Da wird nicht unterschieden zwischen Personenfreizügigkeit, Drittstaatenzuwanderung und Asylbereich. Doch genau das wäre für eine zielgerichtete Migrationspolitik wichtig.
Aus diesem Menü werden wir an der diesjährigen Rheinfelder Tagung die Zuwanderung aus dem Asylbereich eingehend beleuchten und diskutieren. Denn sie brennt vielen unter den Nägeln. Gerade für Gemeinderätinnen und Gemeinderäte bietet sich die Gelegenheit für einen Überblick über die aktuellen Gegebenheiten. Für uns Freisinnige bedeutet dieser Samstag-Vormittag eine Investition in das Verständnis der aktuellen Situation und eine Debatte in einem ganz bestimmten Zuwanderungs-Thema.
Als Gemeindeammann stelle ich "von ganz unten" in unserem Staat fest: Die Aufnahmepflicht für die Gemeinden steigt unaufhörlich an. Gerade diese Woche ist die neue Liste verschickt worden. Mittlerweile sind wir in Möriken-Wildegg bei 56.53, noch vor einem Jahr waren wir bei 53.08. Das wirft schon Fragen auf, warum diese Zahlen immer noch steigen. Wo ist das Ende? Nimmt der Bund die Gemeinden überhaupt wahr? Wie agiert der Regierungsrat?
Ich freue mich auf einen Vormittag mit ausgezeichneten Referenten aller Staatsebenen: Vincenzo Mascioli, Direktor des Staatssekretariats für Migration (SEM), Regierungsrat Jean-Pierre Gallati und Stadtpräsident Dr. Hanspeter Hilfiker. Sehen wir uns in Rheinfelden?
Rheinfelder Tagung 2025
Herausforderung Migrationsland Schweiz Wie kann ein Asylchaos verhindert werden?
Es braucht mehr liberalen Geist in der Fiskal- und Standortpolitik
Jeweils im ersten Jahr einer Legislatur legt der Regierungsrat ein Entwicklungsleitbild (ELB) für die nächsten zehn Jahre vor. Darin definiert er die strategischen Stossrichtungen zur Stärkung und Weiterentwicklung des Kantons. Der Grosse Rat und seine Kommissionen können sich zum ELB äussern, ein direktes Mitspracherecht hat das Parlament indes nicht, es nimmt das Leitbild "zur Kenntnis". Grundsätzlich ist es zu begrüssen, dass die Regierung sich regelmässig überlegt, wie der Kanton weiterentwickelt und gestärkt werden kann. Sinnvoll ist dies jedoch nur, wenn in der Tagespolitik auch nach diesen Grundsätzen gearbeitet wird. Ich habe mir deshalb im Rat auch einige kritische Bemerkungen erlaubt, wo aus Sicht der FDP-Fraktion die strategische Theorie von der politischen Praxis abweicht.
Entscheidende Hebel für einen erfolgreichen Kanton sind und bleiben schlanke und effiziente Verwaltungsstrukturen, attraktive Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten, tiefe Steuern und Abgaben und gesamtheitliche Erschliessungs- und Mobilitätslösungen mit der entsprechenden Infrastruktur. In diesem Sinn war die FDP-Fraktion mit den Grundsätzen des ELB 2025-2034 einverstanden.
Schlanke Strukturen und tiefe Steuern als Erfolgsgaranten
Mit der vom Grossen Rat beschlossenen Steuerstrategie befindet sich der Aargau in letzterem Bereich auf dem richtigen Weg. Das Ja zur Steuergesetzrevision im vergangenen Mai ist hierbei ein wichtiger Meilenstein, ebenso wie die 2022 vom Volk angenommene Steuergesetzrevision. Es braucht aber weitere Schritte wie die Einführung einer Steuerbremse und die Rückerstattung von zu viel eingezogenen Steuern.
Kurzfristig verlangt die freisinnige Fraktion zwei Dinge:
Der Staatssteuerfusses 2026 ist um mindestens 8 Prozentpunkte zu senken. Dies ist finanziell verkraftbar, auch angesichts des erneut angekündigten positiven Rechnungsergebnisses 2025 anstelle eines Defizits.
Die Staatsquote ist zu stabilisieren und in den kommenden Jahren zu senken, anstatt sie über die gesamte Planperiode hinweg weiter steigen zu lassen.
Sinkende Staats- und Steuerquoten sind notabene im Gesetz so festgeschrieben. Nun gilt es, dies auch in der Realpolitik umzusetzen. Ansonsten bleibt es toter strategischer Buchstabe. Mit einer liberalen Finanz- und Fiskalpolitik und der Bereitstellung von Wohnraum, notwendigen Mobilitätsachsen und Erschliessungen schafft der Aargau die Grundlagen als attraktiver Wohn- und Wirtschaftsstandort.
Modern und offen: Bitte auch beim Steuersystem
Der Regierungsrat gibt sich betont modern und offen, auch im vorliegenden ELB. Im Widerspruch dazu hat er ein Kantonsreferendum gegen die Individualbesteuerung beantragt und möchte damit überholte Gesellschaftsmodelle zementieren. Zu unserem grossen Bedauern hat die Parlamentsmehrheit diese Stossrichtung unterstützt und das Kantonsreferendum gutgeheissen.
Die FDP-Fraktion hat das Entwicklungsleitbild 2025-2034 zur Kenntnis genommen und freut sich auf weitere Debatten über den richtigen Weg für die Stärkung des Standortes Aargau als modernen Wohn- und Wirtschaftskanton.
Mit Flexibilität und Effizienz für eine starke Spitalversorgung
Grosser Rat stärkt Autonomie und Verantwortung der Spitäler
Mit Blick auf die Zukunft der Spitallandschaft standen zwei Vorstösse von Harry Lütolf (Mitte) und weiteren Ratsmitgliedern zur Planung und Finanzierung im Zentrum der aktuellen Debatte. Beide Anliegen verfehlten eine Mehrheit, da sie Effizienz, Qualität und Eigenverantwortung der Spitäler beeinträchtigt hätten.
Die erste Motion (Nr. 25.141) verlangte, dass der Leistungsauftrag "Basisversorgung" nur gemeinsam mit dem Leistungsauftrag "Geburtshilfe" an Spitäler vergeben werden darf. Damit wäre die bewusste Trennung der Leistungsaufträge aufgehoben worden, die heute eine flexible, bedarfsgerechte und wirtschaftliche Spitalplanung ermöglicht. Eine solche Kopplung hätte Mehrkosten verursacht und den Fachkräftemangel verschärft, da das Betreiben einer Geburtshilfe-Station auch bei geringen Geburtenzahlen gewaltige Vorhalteleistungen erfordert. Für die Versorgungssicherheit entscheidend ist nicht die Zahl der Geburtsabteilungen, sondern deren Qualität und Erreichbarkeit. Die Motion wurde deshalb von einer grossen Mehrheit des Grossen Rates abgelehnt.
Keine Zementierung von teuren, ineffizienten Strukturen
Die zweite Motion (Nr. 25.71) wollte betriebliche Defizite verschiedenster Fachbereiche der Spitäler künftig über eine Ausweitung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen (GWL) ausgleichen. Dies steht im Widerspruch zum Krankenversicherungsgesetz, das festlegt, dass erbrachte Leistungen über die Tarife abgegolten werden. GWL sollen ausschliesslich Angebote finanzieren, die aus Gründen der Versorgungssicherheit notwendig, aber tariflich unzureichend abgebildet sind. Die Abgeltung allgemeiner Betriebsdefizite gehört ausdrücklich nicht zu ihrem Zweck. Eine solche Ausweitung hätte ineffiziente Strukturen zementiert, falsche Anreize geschaffen und innovative Spitäler benachteiligt. Nach intensiver Diskussion zogen die Motionäre ihren Vorstoss zurück.
Mit diesen Ergebnissen wurde ein klares Signal für eine nachhaltige, flexible Spitalpolitik gesetzt. Mit klaren Verantwortlichkeiten, wirtschaftlicher Eigenständigkeit und Fokus auf Kooperation und gezielte Effizienzsteigerungen.
Aktuelle Vorstösse aus der FDP-Fraktion
Zeitpunkt der Mittelung des Eigenmietwerts wirft Fragen auf Interpellationder FDP-Fraktion (Sprecher Dr. Thomas Ernst, Magden) Die FDP-Fraktion kritisiert, dass die neuen Eigenmietwerte im Kanton Aargau erst Ende Oktober 2025 verschickt wurden – unmittelbar nach der Abstimmung über deren Abschaffung. In einer Interpellation fragt sie, ob der Regierungsrat den politischen Effekt dieses Zeitpunkts bedacht hat, ob eine frühere Kommunikation möglich gewesen wäre und wie künftig solche heiklen Überschneidungen vermieden werden sollen.
Fragen zum Versand der neuen Schätzungswerte Interpellation von Grossrat Adrian Meier, Menziken Ende Oktober hat das kantonale Steueramt rund 250'000 Verfügungen der neuen Schätzungswerte an die Liegenschaftsbesitzer und Grundstückeigentümerinnen versandt. Dabei kam es zu Pannen und ein gewisses Vertrauen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wurde verspielt. Neben Fragen, wer dafür verantwortlich war und wieviel nun die Korrekturmassnahmen kosten, habe ich Fragen zur Berechnung der Schätzungswerte und den möglichen Auswirkungen gestellt.
Ratsgeflüster Neben- und Mitgeräusche der letzten Grossratssitzung
Nach der "Pilotphase" vom 21. Oktober tagte der Grosse Rat am letzten Dienstag zum zweiten Mal mit Einsatz der neuen Saalanlage inklusive der Präsenzkarten der Ratsmitglieder. Vizepräsident Urs Plüss winkte mit seiner Karte vor Sitzungsbeginn ins Halbrund, um die Grossrätinnen und Grossräte daran zu erinnern, die Karte an ihrem Platz einzustecken. Ratspräsident Markus Gabriel wies nach der Sitzungseröffnung auch noch offiziell darauf hin. Es klappte in fast allen Fällen. Bei der anschliessenden Präsenzerhebung kramte SVP-Grossrätin Barbara Borer-Mathys ihre Karte im letzten Moment hervor, um als offiziell "anwesend" den grünen Knopf für die Präsenzerhebung aktivieren zu können. Es reichte mit einer Punktlandung 2 Sekunden vor Ablauf des Countdowns. Ratsmitglied "Nr. 34", Mitglied der GLP-Fraktion, hingegen hatte die Karte eingesteckt und dann den Saal wieder verlassen, so dass bei der Präsenzerhebung "keine Stimmabgabe" für diesen Platz erschien. Dies sorgte wenig überraschend für Irritationen, weswegen sich GLP-Fraktionspräsident Gian von Planta zu einer kurzen Erklärung veranlasst sah. Nr. 34 heisst übrigens im bürgerlichen Leben bzw. als Anwesende im Saal Annetta Schuppisser. Mitte-Grossrat Harry Lütolf schliesslich erschien (wieder einmal) zu spät zur Sitzung. Da half auch die Präsenzkarte nicht, er musste sich bei Vizepräsident 2 Ralf Bucher in die "rote Liste" eintragen.
Auf Anregung von verschiedenen Ratsmitgliedern hatte Ratssekretärin Rahel Ommerli am Montag per Mail informiert, dass auf dem grossen neuen Monitor hinter dem Präsidium künftig nach Möglichkeit nicht einfach eine schwarze Fläche, sondern ein Bild eingeblendet werde. Zu Sitzungsbeginn war dies denn auch der Fall, in Form einer sehr schönen Luftaufnahme des Grossratsgebäudes. Ein würdiges "Hintergrundbild" war man sich allenthalben einig. In der laufenden Sitzung erschien jedoch weiterhin lediglich Namen und Partei des bzw. der Sprechenden auf dem Monitor, vor einem schwarzen Hintergrund. Ob die Grossrätinnen und Grossräte alle ein ausreichend ästhetisches Bild abgeben, so dass auf eine Einblendung des Hintergrundbildes verzichtet werden kann, überlassen wir dem Auge bzw. der Beurteilung des geneigten Betrachters.
Inpflichtnahmen von neu gewählten kantonalen Funktionsträger/innen zu Beginn einer Ratssitzung sind jeweils ein feierlicher Augenblick. So war auch am Dienstag alles angerichtet, um Manuela Stierli als Fachrichterin am Verwaltungsgericht in Pflicht zu nehmen. Die Anwesenden im Saal hatten sich erhoben, ihre Kleidung zurechtgerückt und man hätte ob der Stille eine Nadel fallen hören können. Nun schritt die neu gewählte Richterin vor das Ratspräsidium, jedoch (aus ungeklärten Gründen) nicht – wie eigentlich üblich – in Begleitung einer Ratsweibelin. Soweit nicht weiter tragisch und nicht zwingend erforderlich für eine Inpflichtnahme. Weiter im Text also: Ratssekretärin Rahel Ommerli las die Gelöbnisformel vor. Alle warteten auf die vielgehörten Worte des Präsidenten "Bitte sprechen Sie mir die Worte nach «Ich gelobe es»". Stattdessen sprach Markus Gabriel "Die Inpflichtnahme ist beendet". Manuela Stierli reagierte geistesgegenwärtig und gab, begleitet von gedämpftem Lachen aus dem Saal, unaufgefordert zu Protokoll "Ich gelobe es". Somit hatte es formell doch noch geklappt, wenn auch mit einigen Abweichungen vom Drehbuch. Aber das kommt bekanntlich auch in den besten Theatervorstellungen vor.
Dass Transparenz in der Politikfinanzierung insbesondere bei grösseren Beiträgen sinnvoll ist, wird kaum bestritten. Umstritten war jedoch die Verhältnismässigkeit der Ausgestaltung eines kantonalen Gesetzes über Politikfinanzierung. Die Mitte-Fraktion war der Ansicht, dass der von der Kommission für Allgemeine Verwaltung vorgelegte Vorschlag zu weit gehe und jenseits eines sinnvollen Kosten-Nutzen-Verhältnisses liege. Mitte-Sprecher Robert Weishaupt stellte deshalb den Antrag auf Nichteintreten, der von den Fraktionen SVP und FDP unterstützt wurde. Gar nicht einverstanden mit diesem Antrag waren die linken Fraktionen. Hannes Tobler (Grüne) zeigte sich irritiert, dass die FDP-Fraktion [sic!], welche die Diskussion mit einem Vorstoss seinerzeit erst angestossen habe, nun ein Nichteintreten beantrage. Dies wiederum brachte FDP-Parteipräsidentin Sabina Freiermuth auf die Palme. Sie schritt umgehend und ohne vorherigen Aufruf durch den Präsidenten zum Mikrofon, um klarzustellen, dass der Nichteintretensantrag von der Mitte-Fraktion gestellt worden war. SP-Grossrätin Selena Rhinisperger, die am anderen Saalmikrofon zu einem Votum angesetzt hatte, schaute nicht minder irritiert als Präsident Markus Gabriel. Umgehend entschuldigte sich die FDP-Sprecherin für ihre Protokollverletzung. Der Vorsitzende nahm dies mit der ihm eigenen Gelassenheit zur Kenntnis und setzte die Sitzung fort. Pragmatismus, Nüchternheit und eine grosse Portion Menschlichkeit sind eben das A und O für eine effiziente Sitzungsleitung und einen lebendigen Parlamentsbetrieb.