Nein zum Kantonsreferendum – Ja zur Individualbesteuerung
Der Sommer versprach heisse Temperaturen für die letzte Grossratssitzung des ersten Semesters. Die Themen im Grossen Rat waren nicht weniger heiss. Der indirekte Gegenvorschlag zur Volksinitiative Individualbesteuerung wurde vom Bundesparlament in der Sommersession in der Schlussabstimmung am 20. Juni 2025 angenommen. Nun befürchten einige Kantone Steuerausfälle wie auch administrativen Mehraufwand.
Zu Beginn der Grossratssitzung folgte eine Fraktionserklärung. Die Mitte, SVP und EVP fordern im Kanton Aargau ein Kantonsreferendum. Der Grosse Rat würde über dieses Referendum entscheiden. Jene Parteien erwarten seitens Regierung eine rechtzeitige Ausarbeitung der Vorlage an den Grossen Rat.
Diese Position ist schlichtweg nicht nachvollziehbar und hat vor allem nur einen sehr kurzfristigem Blick.
Thematik Steuerausfälle: Mit der Individualbesteuerung wächst der Anreiz für Teilzeitarbeitende, ihre Pensen zu erhöhen, ohne von der Steuerprogression bestraft zu werden. Dies ist aus volkswirtschaftlicher Sicht richtig und vor allem wirksam gegen den allerorts beklagten Fachkräftemangel. Nicht zu vergessen: Es ist auch ein Gegenpol zur unnötigen Zuwanderung von ausländischen Fachkräften.
Argument administrativer Aufwand: Sobald wir volljährig sind, füllen alle Steuerpflichtigen ihre Steuererklärung selbst aus. In der Folge muss dann je nach Zivilstand immer wieder umgestellt werden, sei es bei Heirat, bei einer Scheiden oder dem Ableben eines Partners. Dies fällt inskünftig weg und vereinfacht damit unser System deutlich. Nach dem Systemwechsel heisst dies, es gibt mehr Steuererklärungen, aber nicht zwingenderweise mehr Aufwand. Nicht zuletzt wegen digitaler Hilfsmittel hat die Steuerbehörde nicht Mühe mit der Anzahl der Steuererklärungen, sondern die Komplexität der Steuererklärungen wiegt schwerer.
Fazit: Die Individualbesteuerung führt für die Kantone mittelfristig zu einer Vereinfachung des Steuersystems, zu mehr Wertschöpfung und Arbeitskräftepotential, da sie konstant positive Erwerbsanreize schafft.
Die FDP-Fraktion wird dieses Kantonsreferendum ablehnen.
Nun wünschen wir Ihnen allen erholsame Sommerferien, Erholung und gemeinsame Stunden im Kreise Ihrer Familien und Freunde. Nach den Sommerferien sind wir gerüstet und bereit, uns wieder tagtäglich für unsere freisinnigen Werte einzusetzen. Wir freuen uns auf unsere politische Arbeit und Begegnungen mit Ihnen allen.
Sechste Etappe des Naturschutzprogramms Wald gutgeheissen
Das bewährte Naturschutzprogramm war auch in der fünften Etappe erfolgreich. Die formulierten Leistungsziele wurden erreicht und die positive Wirkung des Programms auf die Artenvielfalt lassen sich belegen. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Waldeigentümerinnen und Waldeigentümern bei der Sicherung und Pflege der Naturwerte ist einer der Schlüsselfaktoren dieses Erfolgs. Darauf soll auch zukünftig gebaut werden. Dennoch sorgte der Kredit im Grossen Rat für Diskussionen und Anträge.
In der sechsten Etappe (2026-2031) sollen Lücken im Netz der Biodiversitätsvorrangflächen geschlossen und eine bessere Vernetzung der Lebensräume erreicht werden. Diese Massnahmen tragen massgeblich zu einer funktionierenden ökologischen Infrastruktur im Aargauer Wald bei. Die Zielwerte im Bereich der Prozessschutzflächen und der Spezialreservate wurden erhöht. Die Ziele zur Sicherung der ökologischen Infrastruktur sollen bis 2055 erreicht werden.
Realisitische Ziele und angemessener Kredit
Die Ziele sind realistisch gesteckt. Wenn das langfristige Ziel erreicht werden soll, braucht es die rund 8,7 Millionen Franken. Daher lehnte die FDP-Fraktion den Minderheitsantrag aus den Reihen von Mitte und SVP auf Kürzung um 1,7 auf neu 7 Millionen Franken ab. Es können nicht die gleichen Ziele mit weniger Kredit gesetzt und erreicht werden.
Neben den bisherigen Zielsetzungen werden auch die neuen Ziele "Habitatbaumreservate" und "Feuchtgebiete" begrüsst. Falls die langfristigen Zielsetzungen bis 2055 erreicht werden, ist rund ein Viertel des Aargauer Waldes ökologisch ausgerichtet. Das ist dann langsam auch genug. Für die FDP ist es wichtig, dass der Wald langfristig weiterhin wirtschaftlich genutzt werden kann.
Nach ausführlicher Debatte wurde abgestimmt, der Entscheid fiel im Sinne der FDP aus: Der Minderheitsantrag wurde mit 68 zu 60 Stimmen abgelehnt und der Antrag des Regierungsrats mit 84 Ja- zu 44 Nein-Stimmen angenommen.
Eine etwas kürzere Leine für die AEW
Adrian Meier, Grossrat, Ressortleiter Umwelt, Bau, Verkehr, Energie und Raumordnung, Menziken adrian.meier@grossrat.ag.ch
Privatwirtschaft darf nicht übermässig konkurrenziert werden
Der Grosse Rat überwies letzten Sommer eine Motion, welche die Fokussierung der AEW Energie AG auf ihren Kernauftrag forderte. Damals wurden die Beteiligungen der AEW kritisch hinterfragt, da möglicherweise die Privatwirtschaft konkurrenziert würde. Der Regierungsrat unterbreitete nun eine Änderung des Dekrets über den Leistungsauftrag der AEW Energie AG. Damit wird rechtlich festgehalten, dass die AEW die Privatwirtschaft nicht übermässig konkurrenzieren darf.
Der Energie- und insbesondere der Strommarkt steckt mitten in einem grundlegenden Wandel. Früher wurde zentral Strom produziert und den Verbrauchern geliefert. Heute wird dezentral auf Dächern Solarstrom erzeugt, teilweise gespeichert und überschüssiger Strom ins Netz eingespeist. Diese neue Welt fordert die Verteilnetzbetreiber heraus. Neben finanziellen Ressourcen wird viel Know-how benötigt. Beteiligungen an Startups sind eine Möglichkeit, an das entsprechende Wissen der Funktionsweise des künftigen Stromnetzes zu kommen. Die AEW hat sich in den vergangenen Jahren an vielen Startups beteiligt und hat sich so das Know-how eingekauft. Damit tritt jedoch die AEW, welche zu 100 Prozent dem Kanton Aargau gehört, in die Privatwirtschaft ein und konkurrenziert damit Unternehmen in der freien Wirtschaft.
Regierungsrätliche Vorlage im Rat praktisch unbestritten
Die FDP-Fraktion unterstützte die Dekretsänderung des Regierungsrates grossmehrheitlich. So wird auf übergeordneter Stufe festgehalten, dass die AEW keine Unternehmen im freien Markt mit Sitz im Kanton Aargau übermässig konkurrenzieren soll und sie verzichtet insbesondere auf Mehrheitsbeteiligungen oder Übernahmen von Unternehmen im Bereich ausführender Installationen mit Tätigkeiten im Kanton Aargau. Alle Fraktionen waren mit dem Vorschlag des Regierungsrates einverstanden. Schlussendlich stimmte der Grosse Rat der Dekretsänderung deutlich mit 125 zu 3 Stimmen zu. Nun ist wiederum der Regierungsrat am Zug, die Details in der öffentlich einsehbaren Eigentümerstrategie festzuhalten.
FDP-Unternehmertagung 2025
Pioniere des Fortschritts:
KMU zwischen KI, Robotik und Space Economy
Samstag, 30. August 2025, 9:00 – 11:30 Uhr mit anschliessendem Apéro Riche
Host: Schoop Gruppe, Im Grund 15, 5405 Baden-Dättwil
Das Gesetz über die Umsetzung der Amtsenthebungsinitiative umfasst im Wesentlichen Änderungen in folgenden Gesetzen: Im Geschäftsverkehrsgesetz, im Gemeindegesetz, im Schulgesetz und im Kulturgesetz. So werden die verschiedenen Gremien abgedeckt, die von einer Amtsenthebung betroffen wären. Das Gesetz über die Umsetzung der Amtsenthebungsinitiative wurde in der ersten Beratung im Dezember 2024 angenommen. Das Resultat nach der zweiten Kommissionsberatung überzeugte eine Mehrheit des Parlaments nicht, das Geschäft wurde nun an den Regierungsrat zurückgewiesen.
In der ersten Beratung wurde Paragraf 7b angepasst, bei dem es um die Amtseinstellung geht. Der Regierungsrat hatte vorgeschlagen, dass eine Amtseinstellung dann vorgenommen werden kann, wenn gegen ein Mitglied des Grossen Rats oder des Regierungsrats eine Strafuntersuchung wegen eines schweren Vergehens oder eines Verbrechens läuft.
Die Anpassung bestand darin, dass eine Amtseinstellung dann vorgenommen werden kann, wenn gegen ein Mitglied des Grossen Rats oder des Regierungsrats eine Strafuntersuchung aufgrund einer Handlung vorliegt, die mit dem entsprechenden Amt nicht vereinbar ist. Es wurde eine parallele Formulierung zur Voraussetzung einer Amtsenthebung gewählt. Der Regierungsrat hat den Paragrafen entsprechend angepasst.
Die Fraktion FDP lehnte die Vorlage bereits in der Vernehmlassung ab. In der ersten Lesung vom 3. Dezember 2024 hat eine Mehrheit unserer Fraktion dem Entwurf des Gesetzes ebenfalls nicht zugestimmt. In der zweiten Lesung von vergangenem Dienstag lagen Minderheitsanträge aus der vorprüfenden Kommission für Allgemeine Verwaltung (AVW) vor. Zu deren Beratung kam es aber gar nicht erst.
Aus den Reihen der SVP wurde zu Beginn der Beratung ein Rückweisungsantrag gestellt. Das Gesetz soll merklich vereinfacht und entschlackt werden. Dieser Rückweisungsantrag wurde mit Hilfe der FDP-Fraktion mit 68 zu 63 Stimmen angenommen. Somit geht das Geschäft zur Überarbeitung zurück an den Regierungsrat. Dem Geschäft drohte in der Debatte der Totalabsturz, da mehrere Fraktionen die Ablehnung in ihren Eintretensvoten angekündigt hatten. Daher war insbesondere die Berichterstattung in der Aargauer Zeitung zu diesem Entscheid unvollständig.
Gegen den Willen des Regierungsrats überwies der Grosse Rat an seiner letzten Sitzung zwei Motionen (25.77 und 25.66) zum Thema pflegende Angehörige. Es ist ein wichtiger Erfolg, dass sich für den von der FDP massgeblich geprägten Vorstoss, der eine weitere Senkung des Tarifs fordert, eine Mehrheit fand.
Ein Entscheid des Bundesgerichts aus dem Jahr 2019 besagt, dass Leistungen der Grundpflege durch pflegende Angehörige, die bei einer Spitex-Organisation angestellt sind, auch ohne entsprechende Fachausbildung zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung abgerechnet werden dürfen. Das hat zu einem massiven Mengenwachstum geführt. Spitex-Organisationen, die sich auf die Anstellung von pflegenden Angehörigen spezialisiert haben, sind wie Pilze aus dem Boden geschossen.
Das hat Kosten zur Folge, die durch Prämien- und Steuerzahlerinnen und -zahler finanziert werden müssen. Der Kanton Aargau hat den Pflegenormtarif für pflegende Angehörige zwar unlängst gesenkt. Er beträgt aber immer noch 78.10 Franken, was nur 10 Franken tiefer ist als der Tarif für die Grundpflege durch eine Fachperson der Spitex. Davon übernehmen die Krankenkassen 52.60 Franken, für den Rest müssen die Gemeinden via Pflegerestkosten aufkommen.
Gesetzeslücken müssen geschlossen werden
Pflegende Angehörige leisten viel und sind wichtig für unsere Gesellschaft. Allerdings darf man dieses Feld nicht dem Wildwuchs überlassen. Der Tarif ist immer noch deutlich zu hoch und es gibt viele Fälle, in denen es zu praktisch 100-prozentigen Mitnahmeeffekten kommt. Diese Gesetzeslücken sind zu schliessen und die Fehlanreize zu eliminieren. Auch das gehört zu einer liberalen Politik.
Aus den bürgerlichen Reihen wurden zu diesem Zweck drei Motionen eingereicht, die am vergangenen Dienstag im Grossen Rat beraten wurden. Einer der Vorstösse wollte den Kreis der Personen einschränken, die man als pflegende Angehörige anstellen kann. Da diese Angelegenheit auf Bundesebene zu regeln ist, wurde er zugunsten einer Standesinitiative zurückgezogen (siehe aktuelle Vorstösse in dieser INSIDE-Ausgabe). Die beiden anderen Motionen forderten eine Senkung des Tarifs für pflegende Angehörige und gleich lange Spiesse für alle Spitex-Organisationen in Bezug auf die arbeitsrechtlichen Vorgaben.
Beide Vorstösse wurden gegen den Willen des Regierungsrats überwiesen. Bei der Motion zur Tarifsenkung, dem wohl wichtigsten Vorstoss dieses Pakets, wurde die FDP lediglich von der SVP voll unterstützt. Die Grünen, die SP, die EVP, die GLP sowie ein Grossteil der Mitte lehnten die Überweisung der Motion ab. Dank der bürgerlichen Mehrheit wurde der Vorstoss aber schliesslich doch relativ komfortabel mit 71 zu 52 Stimmen überwiesen.
Aktuelle Vorstösse aus der FDP-Fraktion
Mitnahmeeffekte bei pflegenden Angehörigen verhindern Antrag auf Direktbeschlussder Fraktionen FDP (Sprecher Dr. Tobias Hottiger), Mitte, SVP Mit einer Standesinitiative soll die Bundesversammlung aufgefordert werden, die gesetzlichen Grundlagen so anzupassen, dass Spitex-Organisationen nur noch dann pflegende Angehörige anstellen können, wenn diese durch die Pflege einen tatsächlichen oder potenziellen Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit in relevantem Umfang hinnehmen müssen. So sollen Mitnahmeeffekte verhindert und die Kosten für Steuer- und Prämienzahlerinnen und -zahler reduziert werden. Für mehr Qualität in der Schule (Vorstoss 1) Motionder Fraktionen FDP (Sprecher Titus Meier) und SVP Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass es auch in der Aargauer Volksschule Leistungsdefizite in den Grundlagenfächern gibt. Damit bestätigte sich, was Betriebe und Lehrpersonen schon länger festgestellt haben. Eine Problematik besteht beim Übergang Bezirksschule-Maturitätsschule: Wo früher eine Abschlussprüfung für eine gemeinsame Auffassung sorgte, was die Schülerinnen und Schüler können müssen, ist heute ein offen formulierter Lehrplan getreten. Wenig überraschend, dass die Kantonsschulen inzwischen Stützkurse einrichten mussten, um die Versäumnisse der Volksschule aufzufangen. Hier braucht es eine Konkretisierung der Ziele im Lehrplan und eine Schliessung offensichtlicher Lücken.
Für mehr Qualität in der Schule (Vorstoss 2) Postulatvon Grossrat Dr. Titus Meier und weiteren Ratsmitgliedern Zusätzlich sollen in der Sek I und II neu Standortbestimmungen zu Beginn jeden Schuljahres eingeführt werden. Es macht jedoch wenig Sinn, wenn jede Schule für sich solche Standortbestimmungen erstellt. Vielmehr sollen bestehende Plattformen ergänzt und gesamtkantonal genutzt werden.
Fragen zur Finanzierung von Kinderspitälern Interpellation der FDP-Fraktion (Sprecher Dr. Tobias Hottiger) Es wird befürchtet, dass mit der Einführung des neuen Tarifsystems für die ambulante Medizin im Jahr 2026 nur noch 50 bis 60 Prozent der Kosten auf den Notfallabteilungen von Kinderspitälern gedeckt wären. Wir wollen vom Regierungsrat wissen, wie er diese Situation einschätzt und welche Massnahmen geplant sind, um die Versorgungssicherheit in der pädiatrischen Notfallmedizin im Kanton Aargau sicherzustellen.
Ratsgeflüster Neben- und Mitgeräusche der letzten Grossratssitzung
Für die künftige Leitung der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten lagen mehrere Bewerbungen vor, weshalb die Wahl im Grossen Rat schriftlich durchgeführt wurde. Grossratspräsident Markus Gabriel wollte den Parlamentsdienst bereits anweisen, die Stimmzettel zu verteilen, als er eine vermeintlich angemeldete Wortmeldung in seinen Notizen entdeckte, und rief Mitte-Grossrat Michael Notter als angemeldeten Votanten auf. Dieser schaute in den Worten des Grossratspräsidenten so "ungläubig", dass der Vorsitzende daraus schloss, dass es sich um ein Missverständnis handeln musste. Die Wahl ging ohne Wortmeldungen aus dem Halbrund über die Bühne. Bemerkenswert ist höchstens der "ungläubige" Blick eines Mitte-Vertreters als Nachfolgepartei der katholischen CVP (vormals KK). Wobei der Vollständigkeit halber festgehalten werden muss, dass Michael Notters politische Wurzeln in der in die Mitte einfusionierten BDP liegen – etwas Ungläubigkeit scheint da vertretbar.
Schon am Vormittag kannte das Thermometer im Grossratssaal nur eine Richtung: nach oben. Der Ratspräsident vermeldete deshalb schon bald nach Sitzungsbeginn, dass Tenüerleichterung gestattet sei. Wohl nicht ganz uneigennützig, entledigte er sich doch als erster sogleich Krawatte und Veston. Die meisten männlichen Grossratsmitglieder – sofern nicht schon im Tenu legère erschienen – taten es im gleich. Nicht so die Herren Regierungsräte, der sommerlichen Hitze in Sachen Garderobe trotzten und in "politischer Vollmontur" auf der Regierungsbank sitzen blieben.
Der traditionelle Lunch im Haus zum Schlossgarten, zu dem die Stadt Aarau die Mitglieder von Grossem Rat und Regierungsrat jeweils in der Mittagspause des letzten Grossratstages vor den Sommerferien einlädt, fand (wie immer in den letztzen ca. drei Legislaturen) bei prächtigem Wetter statt. "Kaiserwetter", wie die Österreicher sagen würden. Der Gastgeber, Stadtpräsident und FDP-Grossrat Hanspeter Hilfiker, ist zwar nicht Kaiser, strahlte aber mindestens ebenso wie die Sonne am Himmel und hierbei dürfte ein prestige- und einflussreiches Amt durchaus auch eine Rolle gespielt haben. Tags zuvor war nämlich die Nomination von Hanspeter Hilfiker als künftiger Präsident des Schweizerischen Städteverbandes (SSV) bekannt gegeben worden. Neben dem Präsidium der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), das Regierungsrat Markus Dieth innehat, gibt der Aargau also künftig auch den Ton bei der nationalen Ausrichtung der Städtepolitik an. Ganz nach basisdemokratischen Grundsätzen und ohne kaiserliche oder andere monarchische Anwandlungen selbstverständlich; wie es sich in der Schweiz gehört.
Wenn Politiker miteinander in gemütlicher Runde die Mittagspause verbringen wird auch fraktionsübergreifend gelacht und Sprüche geklopft. Und natürlich auch Politik gemacht. Während die meisten Ratsmitglieder sich bereits wieder auf den Weg zum Grossratsgebäude gemacht hatten, wurden in einer schattigen Ecke die Grossräte Pascal Furer, Daniel Urech, Emanuel Suter (alle SVP) im Gespräch mit den FDP-Vertretern Martin Egloff und Stefan Huwyler in angeregter Diskussion beobachtet. Da schien ein Plan geschmiedet zu werden. Zu Beginn der Nachmittagssitzung stellte Emanuel Suter namens der SVP-Fraktion einen Rückweisungsantrag zum Amtsenthebungsgesetz, der von der FDP mit Sprecher Martin Egloff unterstützt wurde. Der Antrag fand eine Mehrheit, das Gesetz wurde zurückgewiesen. Dies trieb insbesondere den Mitgliedern der Mitte-Fraktion nebst der Hitzes- auch die Zornesröte ins Gesicht und veranlasste sie zu einer eigentlichen Social Media-Kampagne. Was ein ursprünglich lockeres Gespräch während der Mittagspause alles auslösen kann.
Und wenn es nicht schon heiss genug gewesen wäre, explodierte der ansonsten sehr besonnene freisinnige Grossrat Tobias Hottiger zum Schluss der Sitzung wie ein Vulkan. Er liess sich erst beim anschliessenden Bier beruhigen. Was war passiert? Für die drei Motionen (siehe oben) von FDP, Mitte und SVP zu den pflegenden Angehörigen wurde ein Paket geschnürt. Im Vorfeld wurde gegenseitig zugesagt, die jeweiligen Motionen zu unterstützen – ein starkes Zeichen gegen die stossenden Geschäftspraktiken war wichtig. Die FDP hatte ihr Versprechen eingelöst und die Mitte-Motion durchaus auch zähneknirschend unterstützt. Und was tat die Mitte? Sie lehnte die FDP-Motion im Anschluss grossmehrheitlich ab und empörte sich gleichzeitig auf allen Kanälen über die Rückweisung der Amtsenhebungungsinitiative. Eine Einschätzung sei gewagt: Dass sich mit Opportunismus, Wortbrüchigkeit und Empörungskultur mittel- und langfristig griffige und erfolgreiche Politik machen lässt, ist eher zu bezweifeln.
Die Atmosphäre blieb also den ganzen Nachmittag hitzig, in Sachen Temperatur ebenso wie bei den Emotionen. Auf der Suche nach etwas Abkühlung war jedes Hilfsmittel recht: Während die FDP-Grossräte Norbert Stichert (portabler Ventilator) und Titus Meier (Fächer im Aargau-Look) die Hitze antizipiert hatten und entsprechend ausgerüstet zur Sitzung erschienen waren, machte etwa Ratssekretärin Rahel Ommerli die Not zur Tugend und verwendete die trotz Digitalisierung reichlich vorhandenen Sitzungsunterlagen als Fächer. Nach sehr intensiver Debatte bis 17:15 Uhr und damit eine Viertelstunde länger als vorgesehen war der Saal selten so schnell leer wie an diesem Dienstag, die Luft war sprichwörtlich draussen und das Befürfnis nach Frischluft und Abkühlung omnipräsent. Die nächste Grossratssitzung findet am 26. August statt, es bleibt also ausreichend Zeit, sich auch politisch etwas abzutemperien.
Ratsflüsterer
Medienmitteilung zum Parteitag der FDP Aargau vom 25. Juni 2025
Weg mit alten Zöpfen – Ja zu einem starken Standort Schweiz
Ja zu Eigenmietwertabschaffung und E-ID – Nein zur Juso-Enteignungsinitiative
Der FDP-Parteitag war sich in den politischen Fragen des Abends einig. Mit der Abschaffung des Eigenmietwerts und der Einführung einer E-ID macht sich die Schweiz fit für die fiskalischen und digitalen Herausforderungen. Der Parteitag fasste zu beiden Vorlagen die Ja-Parole. Einstimmig abgelehnt wurde hingegen die Enteignungsinitiative der Jungsozialisten. Eine Annahme dieser Initiative würde den Wirtschaftsstandort Schweiz massiv schwächen und unzählige Arbeitsplätze vernichten. Freude herrschte bei der freisinnigen Kantonalpartei über die Annahme der Individualbesteuerung durch das Bundesparlament, für Kritik sorgte das Gebaren der Mitte-Partei.
Der Beschluss des Bundesparlamentes für eine Einführung der Individualbesteuerung ist ein Meilenstein in der Schweizer Fiskal- und Sozialpolitik. Möglich wurde dies dank der Volksinitiative der FDP Frauen, die eine Besteuerung unabhängig vom Zivilstand verlangt. Claudia Hauser, Vizepräsidentin der FDP Aargau, betonte die Wichtigkeit dieser Anpassung. So würde es künftig für Teilzeitarbeitende möglich, ihre Pensen zu erhöhen ohne gleich vom Hammer der Steuerprogression getroffen zu werden. Für Unmut sorgte das Vorgehen der Mitte-Partei.
FDP-Fraktionspräsident Silvan Hilfiker fand in diesem Zusammenhang im Rahmen der Grossratsdebatte klare Worte: «Die Mitte hintertreibt das von den FDP Frauen lancierte Projekt seit Monaten mit allen Mitteln. Die Kantone sähen Arbeit auf sich zukommen und Steuerausfälle. Das ist absurd. Die Individualbesteuerung vereinfacht das Steuersystem massiv. Für den Aargau wäre sie der ideale Weg, Wort zu halten hinsichtlich der grossen Versprechungen im Entwicklungsleitbild: eine zukunftsfähige Investition mit einer zeitgemässen, fairen Besteuerung.»
«Geistersteuer» Eigenmietwert abschaffen Mit Nachdruck warb Grossrätin Jeanine Glarner, Präsidentin des Hauseigentümerverbandes Aargau, für eine Abschaffung der «Geistersteuer» Eigenmietwert. Eigenheimbesitzer müssen bis heute ein fiktives Einkommen versteuern, eine Geistersteuer – «ein eindeutig unfaires System», hielt Jeanine Glarner fest. Überdies sei das heutige System viel zu kompliziert, schaffe Schuldenanreize und belaste insbesondere Rentnerinnen und Rentner mit tiefem Einkommen, die schuldenfrei in ihren Häusern wohnen. Die FDP-Mitglieder folgten in der Parolenfassung dieser Argumentation einstimmig und empfehlen ein Ja zur Abschaffung des Eigenmietwerts.
Ja zur E-ID Tim Hoffmann, Präsident der Jungfreisinnigen Aargau, warb für die Einführung der freiwilligen E-ID. Die Möglichkeit, eine E-ID zu erstellen, sei Teil der digitalen Freiheit und ein wichtiger Schritt in die Zukunft. Das System sei sicher und vertrauenswürdig, Datenschutz und Schutz der Privatsphäre seien gewährleistet. In der neuen Vorlage sei es gelungen, die zentralen Probleme der letzten, vor vier Jahren gescheiterten, Vorlage zu beheben. Die deutliche Mehrheit der anwesenden Freisinnigen sah dies gleich und beschloss mit 38 Ja zu 6 Nein bei 2 Enthaltungen die Ja-Parole.
Nein zur gefährlichen Juso-Enteignungsinitiative Die Initiative der Jungsozialisten gibt vor, sich für eine «soziale Klimapolitik» durch steuerliche Gerechtigkeit einzusetzen. In Wirklichkeit ist sie für den Werkplatz Schweiz brandgefährlich und würde Tausende Arbeitsplätze vernichten, wie Grossrat Yannick Berner aufzeigte. Die vorgesehene Erbschaftssteuer von 50 Prozent würde zur Zerschlagung von Unternehmen, Zwangsverkäufen an (ausländische) Investoren und Liquidationen führen. Die Standortattraktivität der Schweiz sänke massiv und die Kollateralschäden wären immens: Fehlende Steuereinnahmen, weniger Aufträge für Zulieferer-KMU, starker Rückgang von Start-Up-Gründungen. Die Zeche bezahlen müsste letztlich einmal mehr der Mittelstand. Einstimmig und ohne Diskussion wurde die Nein-Parole beschlossen.
Eidgenössische Abstimmungen vom 28. September 2025:
Parolen FDP Aargau
1) Bundesbeschluss über die kant. Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften (Abschaffung Eigenmietwert) JA