Braucht es ein Ständemehr bei den Bilateralen III? Grosser Rat prüft Einreichung einer Standesinitiative
An der letzten Ratssitzung war Frischluft definitiv Trumpf. Wohl deshalb hat der Ratspräsident die Sitzung unterbrochen, damit wir die Tour de Suisse vor Ort beim Aargauer Platz mitverfolgen konnten. Selbstverständlich widmeten wir uns in der Debatte aber anderen heissen Themen.
So will die SVP eine Standesinitiative lancieren, um die Bundesversammlung aufzufordern, die Abstimmung über die EU-Verträge dem obligatorischen Referendum zu unterstellen und damit auch den Ständen eine Stimme zu geben. Die inhaltliche Auslegeordnung der SVP teilt die FDP-Fraktion nicht, wir kritisierten allerdings das Verfahren. Dabei half uns die Expertise unserer Parteipräsidentin Sabina Freiermuth, welche nah an Bundesthemen ist und der Fraktion so eine fundierte Auslegeordnung machen konnte.
Der Bundesrat hat nämlich bereits am 30. April 2025 entschieden, die EU-Verträge nicht dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. Er will ein fakultatives Referendum, bei dem das einfache Volksmehr genügt. Das ist aber höchstens als Empfehlung zu verstehen, denn die Entscheidungskompetenz liegt beim Parlament. Entscheiden wird die Bundesversammlung nach Abschluss der Anhörung, also frühestens im nächsten Jahr.
Niemand weiss, warum der Bundesrat sich zu diesen prozeduralen Spielregeln festgelegt hat, bevor überhaupt die Vertragstexte als solches im Wortlaut freigegeben wurden. Dass dies die Diskussion und Aufregung ums Ständemehr antreibt, ist nachvollziehbar.
Mit seinem Entscheid hat der Bundesrat nun also diesen Antrag auf Direktbeschluss provoziert. Ob eine Standesinitiative nötig wird, ist aus heutiger Sicht nicht erkennbar. Erst, wenn wir den Inhalt der Verträge wirklich im Detail studieren konnten, können wir seriös beurteilen, ob es dafür das Ständemehr braucht oder nicht.
Die FDP-Fraktion hat sich aus diesem Grund dazu entschlossen, dem Antrag vorerst einmal – ganz im Sinne eines Prüfungsauftrags – zuzustimmen. Geben wir der Kommission die Möglichkeit, über den Sommer einen Text auszuarbeiten. Bis im Herbst wissen wir wesentlich mehr über den konkreten Inhalt der Verträge. Ebenfalls kennen wir bis dahin die Meinung der Aargauer Regierung. Wir haben dann die Grundlagen, um seriös zu entscheiden, ob wir die Standesinitiative an den Bund überweisen oder eben auch nicht.
Man kann für die Verträge und für oder gegen das doppelte Volks- und Ständemehr sein. Ebenfalls kann man gegen die Verträge und für oder gegen das einfache Volksmehr eintreten. Das ist aber heute nicht Gegenstand der Diskussion.
Für die FDP-Fraktion ist wichtig: Diese Zustimmung zur Erheblichkeit soll nicht heissen, dass die FDP sich im Herbst nicht auch die Freiheit herausnimmt, der Standesinitiative keine Folge zu leisten. Aber wir vergeben uns heute nichts, eine Standesinitiative zu prüfen.
Jahresrechnung 2024: Kanton schreibt erneut grosses Plus
Dr. Lukas Pfisterer, Grossrat, Ressortleiter Finanzen, Aufgabenplanung und Allgemeine Verwaltung, Aarau lukas.pfisterer@grossrat.ag.ch
Genaue Budgetierung bleibt eine Herausforderung
Der Kanton Aargau hat das Jahr 2024 erfreulich abgeschlossen. Die gesetzten Ziele wurden grossmehrheitlich erreicht. Finanzpolitisch resultiert in der Jahresrechnung anstelle eines Budgetdefizits von 229,7 Millionen Franken ein Überschuss von 143,8 Millionen Franken – eine Abweichung von rund 375 Millionen Franken. Selbst unter Ausklammerung der Einmaleffekte von rund 110 Millionen Franken bleibt die Budgetabweichung mit über 260 Millionen Franken erheblich. Die genauere Budgetierung bleibt also eine Herausforderung.
Übrigens gilt dies auch für das Jahr 2025. Gemäss der aktuellen Frühprognose erwartet der Regierungsrat bereits jetzt statt eines Budgetdefizits von 91 Mio. Franken einen deutlichen Überschuss, dies aufgrund einer unerwarteten Ausschüttung der Nationalbank von 162 Millionen Franken. Weitere Einmaleffekte werden folgen.
Viel Geld aus dem nationalen Finanzausgleich Nebst den positiven Zahlen ist auch weniger Erfreuliches zu erwähnen: Der konsolidierte Aufwand stieg um 6,2 Prozent – weit stärker als das BIP mit +2,6 Prozent. Ebenso problematisch: Die Zahlungen aus dem nationalen Finanzausgleich (NFA) an den Aargau haben sich innert zehn Jahren rund verdreifacht und betragen bald 600 Millionen Franken. Der Kanton stagniert im Vergleich zu anderen Kantonen. Hier bleibt noch viel zu tun.
Der 148-Millionen-Franken-Überschuss wurde in die Ausgleichsreserve eingelegt, die mittlerweile rund 1,1 Milliarden Franken enthält – also 1’100 Millionen! Aus Sicht der FDP-Fraktion ist klar: Dieses Volksvermögen gehört zurück zur Bevölkerung. Eine Ausgleichsreserve zwischen 200 und 300 Millionen Franken reicht als "Ausgleichspolster" für schlechtere Abschlüsse aus.
Steuerentlastung, Steuerbremse und Steuerrückvergütung: Jetzt umsetzen Zum Wohl der Bevölkerung und für einen attraktiven Standort Aargau erwarten wird daher: Erstens eine Steuersenkung um mindestens 10 Prozent mit dem Budget 2026. Zweitens die Einführung einer Steuerbremse als präventives Korrektiv gegen übermässigen Steuerbezug. Drittens eine nachträgliche Steuerrückvergütung bei erheblichen Überschüssen, welche trotz genauerer Budgetierung entstanden sind.
Die Jahresrechnung 2024 war unbestritten. Das wird sich beim Budget 2026 ändern. Es steht uns ein spannender Budgetherbst bevor.
Grosser Rat weist Kreditbegehren für "Potenzialräume" an den Regierungsrat zurück
Zusammen mit der Jahresrechnung werden im Rahmen einer Sammelvorlage jeweils auch verschiedene Kreditanträge des Regierungsrats beraten. Häufig werden diese nach der Prüfung durch die zuständigen Kommissionen durch das Ratsplenum genehmigt. Bei einem Kredit in der aktuellen Sammelvorlage war dies nicht der Fall.
Um was ging es? Der Regierungsrat beantragte zusätzliche Geldmittel für den Aufgabenbereich Standortförderung zur Schaffung so genannter "Potenzialräume". Mehrere Gemeinden in solchen Potenzialräumen sollen öffentliche Gelder beantragen können, um regionale Wirtschaftsförderung zu betreiben. Damit würde im Bereich Standortförderung ein neuer, weiterer Ansatz versucht. Wir erkennen seitens FDP-Fraktion keine klare Linie bzw. keine übergeordnete Strategie in diesem Themenbereich. Dies wurde im laufenden Jahr versinnbildlicht durch die öffentliche Anhörung bezüglich eines möglichen Beitritts des Kantons Aargau zu Greater Zurich Area (GZA), die von einer eigentlichen Marketing- und Politkampagne begleitet wird. Selten stiess eine kantonale Anhörung auf dermassen viel Interesse bzw. suchten diverse Funktionsträgerinnen und Interessensvertreter von in- und auch ausserhalb des Kantons den Kontakt mit Parteien und Verbänden. So versuchten sie eine wohlwollende Anhörungsantwort im Sinne der GZA zu "bewirken". Parallel wurde der Verpflichtungskredit zu den Potenzialräumen als Antrag der Kredit-Sammelvorlage publiziert und ging in die Kommissionsberatung. Damit wurden praktisch zeitgleich mehrere politische Baustellen im Bereich Standortförderung eröffnet, ohne klares Gesamtbild.
Gesamtbild fehlt: Standortbestimmung ist notwendig Und ein solches Gesamtbild braucht es aus Sicht der FDP. Dies auch unabhängig davon, dass es in unserer Fraktion Vorbehalte gibt gegen die Potenzialräume und den Beitritt zu GZA. Auch eröffnen sich generelle Fragestellungen zur Arbeit der Standortförderung: So wurde im Rahmen der Kommissionsberatung bestätigt, dass die Standortförderung keinerlei aktive Anwerbung von Firmen betreibt, weder im In- noch im Ausland. Ja, sie haben richtig gelesen – die Standortförderung betreibt keine Firmenanwerbung! Da stellen sich dann doch einige Fragen über Sinn und Zweck dieses Gefässes. Hier besteht definitiv Klärungsbedarf. Eine Standortbestimmung im Bereich Standortförderung bzw. der Rolle des Kantons darin ist angesichts der immer dynamischeren Abläufe und rasanteren Entwicklungen in der globalisierten Wirtschaftswelt ohnehin angezeigt.
Der Grosse Rat folgte dieser Argumentation und wies den Kredit mit 106 zu 18 Stimmen an den Regierungsrat zurück, der nun die Aufgabe hat, eine Gesamtauslegeordnung in Sachen Standortförderung zu präsentieren.
Neue gesetzliche Grundlage für die Durchführung von virtuellen und hybriden Sitzungen
Staatliche Gremien bleiben in Krisensituationen entscheidungsfähig
Der Grosse Rat stimmt der Änderung des Gesetzes über die Organisation des Grossen Rates und über den Verkehr zwischen dem Grossen Rat, dem Regierungsrat und der Justizleitung (Geschäftsverkehrsgesetz, GVG) betreffend Durchführung von virtuellen oder hybriden Sitzungen zu.
Der Grosse Rat hat am 3. Dezember 2024 dem Entwurf für die Änderung des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) in der 1. Beratung mit 124 zu 1 Stimmen zugestimmt. Die Gesetzesänderung wurde notwendig, weil aufgrund der Erfahrungen während der Corona-Pandemie im Juni 2020 u.a. eine Motion von unserer ehemaligen Fraktionskollegin Suzanne Marclay-Merz als Postulat überwiesen wurde.
In der ersten Beratung stellte die FDP-Fraktion zu § 26a Abs. 5 GVG ("Abstimmungen in virtuellen oder hybriden Ratssitzungen werden nicht wiederholt, wenn Mitglieder aufgrund technischer Probleme nicht daran teilnehmen konnten, ausser die Teilnahme der verhinderten Mitglieder hätte zu einem anderen Abstimmungsausgang führen können.") folgenden Prüfungsantrag: Die FDP wollte für die zweite Lesung geprüft haben, wie dieser Absatz präziser formuliert werden kann oder ob es im Sinn der Rechtssicherheit eventuell sinnvoll wäre, den ganzen Absatz zu streichen.
Die Prüfung hat ergeben, dass § 26a Abs. 5 GVG ersatzlos gestrichen werden kann, weil bereits eine Praxis in Bezug auf technische Abstimmungsprobleme besteht, welche nicht unnötig eingeschränkt werden soll. Die FDP-Fraktion zeigt sich zufrieden, dass aufgrund unseres Prüfungsantrags §26a, Abs. 5 gestrichen und damit eine Klärung und Vereinfachung dieses Gesetzes erzielt werden konnte. So wird eine Überregulierung verhindert und das ist bekanntlich ganz in unserem Sinn.
Die Revision des GVG wurde schliesslich ohne Gegenstimme gutgeheissen. Damit besteht neu eine gesetzliche Grundlage für die Durchführung von virtuellen und hybriden Sitzungen für die Legislativen und Exekutiven bei Kanton und Gemeinden (Einwohnerräte).
Für das Jahr 2026 stehen der Aargauer Bevölkerung voraussichtlich insgesamt 463,4 Millionen Franken für Prämienverbilligungen zur Verfügung. Der Anteil des Kantons beträgt 160,4 Millionen Franken, den Rest bezahlt der Bund. Der Grosse Rat stimmte dem Vorschlag des Regierungsrats ohne Gegenstimme zu.
Der Grosse Rat legt jährlich mittels Dekret die Höhe des Kantonsbeitrages für die Verbilligung der Krankenkassenprämien für das Folgejahr fest. Auch die FDP steht grundsätzlich hinter dem System der Prämienverbilligungen. Es ermöglicht eine zielgerichtete Hilfe für Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen.
Die Prämienverbilligungen stellen allerdings auch einen grossen Kostenblock im Budget dar. Damit dieses System weiterhin von der Gesellschaft getragen und akzeptiert wird, darf man die Solidarität nicht überstrapazieren.
Der Regierungsrat schätzt, dass im Jahr 2026 im Kanton Aargau über ein Viertel der Bevölkerung eine Prämienverbilligung beziehen wird. Das entspricht mehr als 200'000 Personen.
Dekret ohne Gegenstimme gutgeheissen Die Höhe des Kantonsbeitrages an die Prämienverbilligung orientiert sich an der mutmasslichen Prämienentwicklung, der voraussichtlichen Bevölkerungsentwicklung und dem wahrscheinlichen Bundesbeitrag. Es ist davon auszugehen, dass die Spezialisten des Departements für Gesundheit und Soziales ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen erledigen. Für das Jahr 2026 würde eine Gesamtsumme für die Prämienverbilligung von 463,4 Millionen Franken errechnet, wovon der Kanton Aargau 160,4 Millionen Franken übernehmen muss.
In früheren Jahren gab es bei der Beratung im Grossen Rat mitunter emotionale Diskussionen. Insbesondere von linker Seite wurden immer wieder Anträge auf eine Erhöhung des Betrags gestellt. Dieses Jahr lief die Debatte hingegen relativ ruhig ab. Sämtliche Fraktionen folgten dem Vorschlag des Regierungsrats und der Grosse Rat stimmte dem Dekret schliesslich ohne eine einzige Gegenstimme zu.
Eine Mehrheit des Grossen Rates fordert mehr Mitsprache auch in der kommunalen Verkehrspolitik. Künftig sollen weitreichende Entscheide über Tempo-30-Zonen nicht mehr im Alleingang durch den Gemeinderat erfolgen, sondern von der kommunalen Legislative gefällt werden – mit der Möglichkeit eines fakultativen Referendums durch die Bevölkerung. Der Grosse Rat hat dem entsprechenden Vorstoss zugestimmt.
Wer die Regionalzeitungen liest, merkt rasch: Tempo 30 bewegt die Bevölkerung in fast jeder Gemeinde. Die Einführung solcher Zonen verändert den Alltag ganzer Quartiere. Sie betrifft Gewerbebetriebe, den Durchgangsverkehr, den öffentlichen Verkehr und die Anwohnerinnen und Anwohner. Es handelt sich damit nicht um eine technische Vollzugsfrage, sondern um eine politisch brisante Entscheidung. Genau deshalb gehört sie in die öffentliche Debatte.
Die Motion richtet sich auch nicht grundsätzlich gegen Tempo 30. Aber wenn der Gemeinderat Tempo-30 will, soll er die Bevölkerung davon überzeugen. Und wo gute Gründe bestehen, hat eine Vorlage auch vor dem Volk gute Chancen.
Mitte-Links fürchtet den demokratischen Diskurs Irritierend war die Haltung von SP, Grünen und Teilen der Mitte. Man warnte davor, dass sich durch den Einbezug der Legislative Prozesse verzögern könnten. Natürlich dauern Prozesse mittels Mitbestimmung manchmal länger. Aber sie sind dafür tragfähiger, transparenter und besser legitimiert. Unsere direkte Demokratie zeigt seit jeher: Mehr Mitsprache führt nicht zu Willkür, sondern zu ausgewogenen Lösungen. Wer sich davor fürchtet, dass das Volk mitredet, stellt nicht den Prozess infrage – sondern das Prinzip Demokratie selbst.
Besonders befremdlich war jedoch die Behauptung, es könne „eine Mehrheit über eine Minderheit entscheiden“. In der Demokratie besteht diese hypothetische "Gefahr" immer. Doch dass dies in der Schweiz sonst auch kein Problem ist, zeigt; bei einer guten Begründung hat die Bevölkerung stets ein offenes Ohr für die Anliegen der Minderheit. Sonst würden wohl diverse kommunale Anliegen keine Mehrheiten finden.
69 zu 64: Grosser Rat setzt Zeichen für mehr Mitsprache Nach engagierter Debatte hat der Grosse Rat die Motion mit 69 zu 64 Stimmen überwiesen. Ein klares Signal: Verkehrspolitik soll nicht über die Köpfe der Menschen hinweg beschlossen werden. Tempo 30 gehört in die Legislative – und bei Bedarf vors Volk.
Schluss mit der Blockade beim Wohnungsbau
Dr. Adrian Schoop, Grossrat, Ressortleiter Volkswirtschaft, Inneres und Justiz, Turgi adrian.schoop@grossrat.ag.ch
Zwei Vorstösse der FDP bringen Tempo in die Verfahren und stoppen missbräuchliche Einwendungen
Mit einer Beschränkung der Bewilligungsdauer für Baugesuche auf maximal 90 Tage und höheren Kosten bei taktisch motivierten Einwendungen und Beschwerden gegen Bauprojekte haben Tim Voser und ich zwei Vorstösse vorgelegt. Der Grosse Rat ist ihnen gefolgt für mehr Tempo und Rechtssicherheit beim Bauen.
Die Wohnungsknappheit im Kanton Aargau spitzt sich seit Jahren zu. Die Leerstandsquote lag 2024 bei nur noch 1,3 % – so tief wie seit 20 Jahren nicht mehr. In nur vier Jahren hat sich das Angebot halbiert und die Mieten steigen deutlich. Gleichzeitig wird der Bau neuer Wohnungen durch immer länger werdende Verfahren und taktisch motivierte Einwendungen und Beschwerden teils systematisch ausgebremst.
Der erste Vorstoss zielt auf die Verfahren selbst. Die Dauer bis zur Baubewilligung soll auf maximal 90 Tage beschränkt werden. Heute verlieren Bauherren nicht nur Zeit und Geld, sondern auch das Vertrauen in den Staat. Der Regierungsrat hat das Postulat angenommen und wird nun aufzeigen, wie dieses Ziel erreichbar ist.
Mit dem zweiten Vorstoss fordert die FDP, dass missbräuchliche Einwendungen und Beschwerden künftig höhere Kostenfolgen nach sich ziehen. Wer ohne triftigen Grund Einwendung erhebt, soll sich das künftig zweimal überlegen müssen. Das Recht auf Einwendung bleibt bestehen, aber die Hürde für rein taktisch motivierte Verzögerungen oder gar Erpressungsversuche wird erhöht. Damit schützen wir die berechtigten Anliegen von Bauherren und Wohnungssuchenden und stoppen jene, die das heutige Verfahren zum eigenen Vorteil ausnützen. Mit 113 zu 12 Stimmen wurde der Vorstoss als Postulat an die Regierung überwiesen.
Für uns ist klar: Wer rechtskonform bauen will, soll das auch dürfen: ohne Blockade, ohne Erpressung, ohne endlose Verfahren. Die FDP Aargau steht für einen schlanken Rechtsstaat, der schützt, was berechtigt ist und stoppt, was missbräuchlich blockiert.
Aktuelle Vorstösse aus der FDP-Fraktion
Steigende Lohnabgaben schaden dem Werkplatz Aargau Interpellationvon Grossrat Yannick Berner Es ist ein Trend, immer mehr sozialpolitische Versprechen, wie die 13. AHV-Rente durch höhere Lohnabgaben zu finanzieren. Somit steigt der Druck auf unsere Unternehmen. Mit einer Interpellation sollen die wirtschaftlichen Auswirkungen solcher Lohnabgaben thematisiert und auf die Risiken für KMUs, Industrie und Exportwirtschaft im Kanton hingewiesen werden. Der Regierungsrat soll eine Einschätzung zur Finanzierungspolitik des Bundes abgeben.
Ratsgeflüster Neben- und Mitgeräusche der letzten Grossratssitzung
Passives Politisieren ist definitiv nicht der Stil von FDP-Grossrat Adrian Schoop. Regelmässig greift er Themen auf, die den Leuten unter den Nägeln brennen und bringt sie öffentlich zur Sprache. Er tut dies auf verschiedenen Wegen, mit Social Media-Beiträgen, mit Vorstössen im Parlament oder anderen Gefässen wie jüngst mit der Gründung der IG Pro Parkplatz in Baden. Nicht selten entstehen in den Ratsdebatten aufgrund von Schoops Vorstössen und Voten eigentliche Wortgefechte mit der Ratslinken, etwa Lelia Hunziker von der SP oder Ruth Müri von den Grünen (als Stadträtin von Baden quasi in doppeltem Sinn Kontrahentin von Adrian Schoop). Gut unterrichtete Quellen wollen wissen, dass es die lauteste Reaktion am letzten Dienstag jedoch in der FDP-Fraktionssitzung vor der Grossratssitzung gab. Auf die Bemerkung Adrian Schoops, er mache keine populistischen Vorstösse, erntete er fröhliches Gelächter seiner Fraktionskolleginnen und -kollegen. Eines ist sicher: Grossrat Schoops Politik bewegt den Aargau.
Ebenfalls nicht aufs Maul gefallen ist SP-Grossrat Martin Brügger. Nebst der Beanspruchung von viel Redezeit fällt der konsequente Krawattenträger Brügger (für einen Sozialdemokraten doch bemerkenswert) immer mal wieder mit geflügelten Formulierungen auf. So hielt er an der letzten Sitzung fest, er habe das Protokoll der Kommissionsberatung zur Thematik Elektrifizierung der Busflotten im Aargau vor der Plenumsdebatte nochmals "inhaliert". Sein SP-Parteikollege – pardon, Parteigenosse – Arsène Perroud nahm den Begriff in seinem Votum als Präsident der Kommmission Aufgabenplanung und Finanzen ebenfalls auf und bemerkte, auch er habe die Thematik nochmals inhaliert. Grundsätzlich ist es erfreulich, wenn die Mitglieder der SP-Fraktion gut vorbereitet an den Grossratssitzungen erscheinen. Welche Techniken sie dabei anwenden, ist ihre Privatsache. Durch öffentliches "Inhalieren" war bisher vor allem ein anderer Aargauer SP-Politiker in seinen früheren Flegeljahren aufgefallen. Jedoch nicht im Grossen Rat, in welchem besagter Herr nie Einsitz nahm. Vielmehr nahm er vor vielen Jahren trotz (oder wegen?) des Inhalierens den Schnellzug ins Bundesparlament und später auch Einsitz ins nationale (Co-)Parteipräsidium.
Lukas Pfisterer (FDP) war mitten in seinem Fraktionsvotum zur Jahresrechnung, als sein Tablet mit den vorbereiteten Sprechnotizen den Dienst verweigerte. Der erfahrene Finanzpolitiker liess sich davon in keinster Weise beirren und brachte sein noch länger dauerendes Votum druckreif zu Ende. Und er vergass dabei das von FDP-Fraktionspräsident Silvan Hilfiker eingeführte Mantra im Bereich der Steuermassnahmen nicht: Erstens Steuern senken, zweitens Steuerbremse einführen, drittens Steuern zurückerstatten. Man lerne, ebenfalls in drei Punkten: Eine klare Fraktionsausrichtung durch deren Rennleitung (erstens), gute Vorbereitung durch den Fraktionssprecher (zweitens) und natürlich ein gewisses rhetorisches Talent (drittens) gewinnen problemlos gegen technische Tücken.
"Schulmeisterlich" trifft wohl am ehesten die Art, wie Hanspeter Hubmann (SP, Jahrgang 1955) eine Motion für obligatorische Volksentscheide zu Tempo 30 bzw. deren Motionär, den 43 Jahre jüngeren Tim Voser (FDP, Jahrgang 1998), am Rednerpult herunterputzte. Er empfahl Voser, im Sinn eines Lehrstücks im ersten Amtsjahr, eine "dermassen sinnentleerte Motion" doch zurückzuziehen. Der Motionär liess sich davon nicht beeindrucken und blieb bei der sachlichen Argumentation. Unabhängig von Lebens- und Ratserfahrung: Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall und die Quittung für den selbst ernannten Schulmeister Hubmann folgte auf dem Fuss. Die Motion Voser wurde von der Ratsmehrheit gutgeheissen. Die Frage sei erlaubt, wer hier nun von wem in Sachen politischem Handwerk und verbalem Anstand etwas lernen kann.
Ratsflüsterer
Ist die Gemeindeautonomie ein Erfolgsgarant oder ein Auslaufmodell?
Anna Staub, Mitarbeiterin Geschäftsstelle, Lenzburg staub@fdp-ag.ch
FDP-Sommertagung diskutierte Vor- und Nachteile autonomer Gemeindestrukturen
«Gemeindeautonomie: Erfolgsgarant oder Auslaufmodell?» – unter diesem Thema stand die diesjährige Sommertagung der FDP Aargau. In rund anderthalb Stunden wurde die Rolle der Gemeinden und der Grad ihrer Autonomie in der Schweiz definiert und erklärt und über die Zukunftsfähigkeit dieser Strukturen gesprochen. In ihrer Begrüssung zu Beginn stellte Sabina Freiermuth, Präsidentin der FDP Aargau, fest, dass dieses Thema zwar aktuell stark beschäftige, aber keineswegs neu sei. Bereits 2002 sei Gemeindeautonomie gemäss alt Regierungsrat Peter C. Beyeler Thema eines Regierungsseminars gewesen – damals noch in einem Aargau mit 230 Gemeinden, 2025 sind es noch 197. Grund genug, sich diesem politischen Dauerbrenner im Rahmen einer Tagung einmal etwas vertiefter zu widmen.
Stefan Kalberer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Demokratie Aarau, gab einen wissenschaftlichen Input zum Thema der Gemeindeautonomie. Dabei zeigte er auf, dass die Gemeinden in der Schweiz einen aussergewöhnlich hohen Grad an Selbstbestimmung haben und präsentierte mögliche Herausforderungen und Vorteile dieser Struktur, wie bspw. das Problem, dass kleine Gemeinden mit weniger Geld weniger oder schlechtere Dienstleistungen bieten können als grosse Gemeinden, aber auch den direkten Einfluss, den der Wählerwille auf die Gemeindeausgaben bei autonomen Gemeinden haben kann. Als Möglichkeit, die Probleme abzuschwächen, brachte Kalberer die interkommunale Zusammenarbeit ein – also beispielsweise den gemeinsamen Betrieb einer Schule durch mehrere Gemeinden.
An dieses Thema knüpfte der zweite Referent, Andreas Schmid, Grossrat, Vizeammann von Lenzburg und Geschäftsführer der Gemeindeammännervereinigung Aargau, an. Er betonte in seinem Referat, dass eine Auslagerung oder gemeinsame Erbringung gewisser Leistungen für Gemeinden durchaus Sinn machen könnte, dass interkommunale Verträge jedoch mit einer langfristigen Perspektive gestaltet werden sollten. «Man darf nicht immer den günstigsten nehmen» betonte Schmid, da dies dazu führe, dass man schliesslich in vielen verschiedenen Richtungen gebunden sei und so schliesslich die Autonomie stärker aufgeben würde als wenn man weniger Vertragspartner hätte, die sich in mehreren Sachen miteinander absprechen könnten.
Die anschliessende Podiumsdiskussion moderierte Claudia Hauser, Grossrätin und Gemeinderätin in Döttingen. Nebst den beiden Referenten Stefan Kalberer und Andreas Schmid diskutierte Sheena Heinz, Gemeindeschreiberin und Präsidentin des Fachbeirates im Verband Aargauer Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber, also eine ausgewiesene Fachexpertin, auf dem Podium mit. In der Diskussion wurde festgestellt, dass die Anspruchshaltung der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Gemeinden gewandelt hätte, was wiederum kommunale Kooperation verstärken würde. Ausserdem sei die Zunahme an Parteilosen in Gemeindeämtern eine Herausforderung für die Gemeindeautonomie, da diese über kein Parteiennetzwerk für Abklärungen oder als strategische und moralische Unterstützung verfügen würden. In der anschliessenden Fragerunde konnten die Teilnehmer der Tagung noch vom Fachwissen von Kalberer, Schmid und Heinz profitieren, bevor die Präsidentin zum traditionellen Ausklang bei Wurst und Bier einlud.
Podiumsdiskussion mit Moderatorin Claudia Hauser, Stefan Kalberer, Andreas Schmid und Sheena Heinz (v.l.n.r.).