Rückblick auf die Legislatur und Ausblick ins neue Jahr
Am Dienstag fand die letzte Sitzung der Legislatur statt. Dies ist ein guter Zeitpunkt, zurückzublicken aber auch in die Zukunft zu schauen.
Die vergangene Legislatur war geprägt von anspruchsvoller bürgerlicher Zusammenarbeit zwischen Mitte, SVP und FDP. Einige Erfolge konnten erzielt werden: Die Steuergesetzrevision, das Energiegesetz, die gesundheitspolitische Gesamtplanung und die Ablehnung des SP-Mindestlohnvorstosses waren zentrale Erfolge.
Weniger erfolgreich war die Debatte um die Kinderzulagen. Der Regierungsrat schlug zunächst eine moderate Erhöhung von zehn Franken vor, was jedoch im Grossen Rat zu einer hitzigen Diskussion führte. Ein Kompromissvorschlag der Mitte, der eine Erhöhung von 25 Franken vorsah, fand eine Mehrheit. Weil die Kosten für die Kinderzulagen durch die Unternehmen zu berappen sind, werden diese nun zusätzlich belastet. Ein kritischer Punkt, den wir Liberale unbedingt im Auge behalten müssen.
Ein weiteres Phänomen dieser Legislatur war die Veränderung des Spannungsfeldes in der Politik in unserem Kanton. Waren die Debatten bisher geprägt von den Links/Rechts Gegensätzen, verschieben sich die Konflikte auf die Beziehung zwischen Gemeinden und Kanton. Besonders sichtbar wurde dies bei der Diskussion zur Einheitspolizei. Es ist kein Geheimnis, dass ich die Einführung der Einheitspolizei befürworte. Allerdings setzten sich in diesem Punkt die Gemeinden durch. Wenn aber jede Gemeinde nur für sich schaut, schwächt dies eine gemeinsame Sicherheitspolitik und damit den Kanton als Ganzes.
Trotz dieser Herausforderungen konnte die FDP wichtige Erfolge feiern. Dazu zählen die Steuergesetzrevision, das Energiegesetz und die Verhinderung von ausufernder Bürokratie sowie unnötigen Ausgaben. Zudem hat die FDP frühzeitig zentrale Themen wie Stromversorgungssicherheit und Bildung angepackt.
Mit Blick auf die neue Legislatur stehen Veränderungen in der Fraktionszusammensetzung an. Lesen Sie dazu die separaten Artikel. Inhaltlich werden drei Themen die Agenda dominieren:
Sicherheit: Die Aargauer Bevölkerung muss sich in der Öffentlichkeit wieder sicher fühlen.
Steuern: Die beschlossene Steuergesetzrevision wird im Jahr 2025 zur Abstimmung gelangen. Ein Ja ist essenziell, um den Aargau als Wohn- und Arbeitsort zu stärken.
Bildung: Die Bildungsqualität muss verbessert werden, um fehlenden Kompetenzen nach der obligatorischen Schule entgegenzuwirken. Gute Schulen sind die Basis für einen attraktiven Wirtschaftsstandort.
Der Kanton Aargau steht vor wichtigen Weichenstellungen. Mit einer starken, zukunftsorientierten Politik kann der Aargau an Attraktivität gewinnen und sich als erstklassiger Wirtschafts- und Lebensstandort positionieren. Die FDP-Fraktion wird dazu ihren Beitrag leisten und sich konsequent für liberale Werte einsetzen.
Zum Abschluss nutze ich die Möglichkeit, Danke zu sagen. Danke an Sie, liebe Leserinnen und Leser, dafür, dass Sie zu unserer treuen Leserschaft zählen. Wir schätzen Ihre ehrlichen und kritischen Rückmeldungen. Danke auch an meine Fraktionskolleginnen und -kollegen für die konstruktive Mitarbeit, die offene Diskussionskultur und dafür, dass wir uns gemeinsam für liberale Werte einsetzen.
Nicht zuletzt gilt mein Dank der Geschäftsstelle der FDP-Aargau unter der Leitung von Stefan Huwyler und seinen Mitarbeitenden David Spielmann, Sandra Ilg und Anna Staub. Ohne diese engagierten Mitarbeitenden könnten wir keine freisinnige Politik im Aargau betreiben.
Ich wünsche allen friedliche und besinnliche Festtage und einen guten Start ins neue Jahr.
Weihnachtsbotschaft von Parteipräsidentin Sabina Freiermuth
Bürgerliche Mehrheit überweist FDP-Antrag an Kommission SIK
Der Grosse Rat hatte mit unserem Antrag auf Direktbeschluss zu entscheiden, ob das Anliegen erheblich erklärt wird und an eine der grossrätlichen Kommissionen zur Ausarbeitung einer Standesinitiative weitergeleitet wird. Ob der Kanton Aargau die Standesinitiative dann wirklich einreicht, wird erst entschieden, wenn der Text feststeht und im Plenum beurteilt und diskutiert wird. Wir durften uns über eine deutliche Zustimmung freuen. Die SVP-Fraktion unterstützte den Antrag als Mitunterzeichner, die Mitte einstimmig im Plenum. Das nenne ich gelungene bürgerliche Zusammenarbeit!
Der Bundesrat hat am 31. Mai 2024 entschieden, die Kontrollen an der Schweizer Grenze vorübergehend zu verstärken. Dies aufgrund der erhöhten Terrorbedrohung gemäss der Einschätzung von in- und ausländischen Nachrichtendiensten während der Fussball-EM in Deutschland und der Olympischen Sommerspiele in Frankreich. Die zeitlich befristete und gezielte Verstärkung der Kontrollen an der Schweizer Grenze wurde am 8. September 2024 beendet. Aber ab dem 16. September hat Deutschland seinerseits die Grenzkontrollen wieder verschärft. Die deutsche Bundesregierung begründete dies mit der Migrations- und Sicherheitslage.
Aargau besonders betroffen Die aktuelle sicherheitspolitische Lage – Kriege und unsichere Lage im Nahen Osten, Krieg in Europa, erhöhte illegale Migration etc. – legt es nahe, die Grenzkontrollen zu verstärken. Die Schweiz muss sich an den Massnahmen Deutschlands orientieren, um nicht daraus mit Negativ-Effekten zu konfrontiert zu sein. Wir wissen, dass die Lage in den Kantonen und Gemeinden schon heute angespannt ist. Die deutschen Massnahmen dürfen diese Situation nicht weiter verschärfen. Es steht aber zu befürchten, dass von Deutschland zurückgewiesene Asylbewerber in der Schweiz verbleiben. Aufgrund seiner ausgedehnten Aussengrenze ist der Kanton Aargau vom Grenzregime Deutschlands zweifellos besonders betroffen. Deshalb ist es angebracht, dass der Aargau seine Position gegenüber dem Bund geltend macht.
Schengen-konforme Massnahmen Bei der Ausarbeitung der Standesinitiative ist zu berücksichtigen und zu betonen, dass der Grenzverkehr nicht beeinträchtigt werden darf und die Massnahmen Schengen-konform ausgestaltet werden (temporär und punktuell).
Abstimmung vom 9. Februar 2025: Parole FDP.Die Liberalen Aargau
Volksinitiative vom 21. Februar 2023 "Für eine verantwortungsvolle Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen (Umweltverantwortungsinitiative)" NEIN
Grosser Rat schmettert SP-Standesinitiative zur "sozial-ökologischen Transformation" ab
Mit 93 Nein- zu 32 Ja-Stimmen bodigte der Rat eine SP-Standesinitiative für eine staatlich gelenkte Industriepolitik klar. Völlig zurecht, denn die Schweiz hat längst eine erfolgreiche soziale Marktwirtschaft und nimmt auch in Sachen Ökologie einen Spitzenplatz ein. Ein staatlich orchestrierter Umbau der Wirtschaft ist unnötig, gefährlich und bedroht unseren Wohlstand.
Die beste Industriepolitik ist, keine zu machen! Dennoch wollte die SP Aargau den Bund auffordern, mit einer nationalen Industriepolitik eine "sozial-ökologische Transformation" der Wirtschaft zu erzwingen. Dabei genügt ein Blick über die Grenze, um zu sehen, wohin das führt: Deutschland steckt mitten in solch einer ideologisch verordneten Transformation. Die Folgen sind verheerend. Bürger, Unternehmen und der Staat leiden unter dieser Politik. Nach drei Jahren rot-grüner Experimente und mit vielen Milliarden an Steuergeldern hat das Land nichts vorzuweisen: keine neuen Arbeitsplätze, kein Wohlstandsgewinn! Nur Frust und eine nie für möglich gehaltene Deindustrialisierung. Die SP Aargau war mit den Grünen fest entschlossen, denselben Irrweg einzuschlagen. Zum Glück hat der Grosse Rat dieses Ansinnen gestoppt.
"Sozial" ist die Wirtschaft längst Wir haben eine funktionierende soziale Marktwirtschaft. Alter, Krankheit oder Arbeitslosigkeit sind abgesichert, und wer in Not gerät, kann auf die Unterstützung des Staates und die Solidarität der Gesellschaft zählen. Unser duales Bildungssystem und die exzellenten Hochschulen bieten jungen Menschen beste Chancen für ein erfolgreiches Berufsleben. Das alles ist bereits gelebte Realität. Und dass bei uns kaum gestreikt wird, zeigt: Die Sozialpartnerschaft funktioniert – und zwar ohne staatliche Eingriffe.
"Ökologisch" sind wir Weltklasse Auch bei der Nachhaltigkeit steht die Schweiz hervorragend da. Im Global Sustainable Competitiveness Index 2023 belegen wir Platz 4 – knapp hinter Schweden, Finnland und Island. Unsere Nachbarländer schneiden deutlich schlechter ab: Österreich rangiert auf Platz 8, Deutschland auf 15, Frankreich auf 18 und Italien auf 24.
Halten wir fest: Wir sind bereits sozial und ökologisch! Die Schweizer Wirtschaft ist auf dem richtigen Weg. Eine links-grüne Industriepolitik oder gar ein staatlich verordneter Umbau unserer Wirtschaftsordnung sind unnötig und schädlich. Bürokraten sollen nicht bestimmen, welche Technologien oder Branchen gefördert werden. Unsere Wirtschaft hat ohne solche Eingriffe immer gut funktioniert. "Die beste Industriepolitik ist, wenn wir unsere Firmen einfach in Ruhe lassen!", habe ich der Rats-Linken deshalb in der Debatte zugerufen. Wirtschaftliche Freiheit ist der Schlüssel zu Wohlstand für alle.
Legislaturende bedeutet auch Abschied von fünf Fraktionsmitgliedern
An der letzten Sitzung des Grossen Rats der Legislatur 2021 – 2024 wurden fünf Fraktionsmitglieder der FDP verabschiedet. Im Namen von Fraktion und Partei danken wir mit einer Würdigung allen für ihren grossen Einsatz und ihre Verdienste.
Dr. Bernhard Scholl, Möhlin
Bernhard Scholl kann auf eine langjährige und erfolgreiche Tätigkeit im Grossen Rat zurückblicken. Er wurde erstmals 2004 im Grossen Rat in Pflicht genommen, schaffte zwar die Wiederwahl bei den Wahlen 2012 nicht, war aber ab März 2014 wieder Mitglied der FDP-Fraktion. Es gibt fast kein Amt, das er im Rat nicht ausgefüllt hat. Er war von 2014 bis 2016 Fraktionschef, Grossratspräsident 2018, Mitglied der Kommissionen für Justiz (JUS), Umwelt, Bau, Verkehr, Energie und Raumordnung (UBV), Volkswirtschaft und Abgaben (VWA) sowie Aufgabenplanung und Finanzen (KAPF). In seiner letzten Legislatur amtete er als Ressortleiter Finanzen und Ressourcen im Fraktionsvorstand und hat sein breites parlamentarisches Wissen der jüngeren Generation übergeben. In seinem letzten Votum äusserte er ganz nach dem bekannten Schweizer Motto seine Absicht: «Chrampfe ond verdofte». Bernhard, wir danken dir für deinen unermüdlichen Einsatz für den Kanton Aargau und die freisinnige Fraktion.
Gabriel Lüthy, Widen
Gabriel Lüthy trat im Dezember 2015 in den Grossen Rat ein. Rasch entwickelte er sich zu einem Leistungsträger: Er war Mitglied der wichtigen Kommissionen Aufgabenplanung und Finanzen (KAPF) sowie Volkswirtschaft und Abgaben (VWA) und war sich nie zu schade, mehr für die Fraktions- und Parlamentsarbeit zu leisten. So war er ab 2017 als Ressortleiter bis heute ununterbrochen Mitglied des Fraktionsvorstands. Gabriel gehörte zu den stillen Chrampfern im Grossen Rat, der mit der notwendigen Prise Humor unsere Fraktion bereicherte. Gabriel, wir danken dir für deine ansteckende, humorvolle und intensive Arbeit für den Kanton Aargau und die FDP-Fraktion.
Gérald Strub, Boniswil / Reinach
Gérald Strub verstärkte die FDP-Fraktion ab 2017. Er gehörte der Kommission Allgemeine Verwaltung (AVW) an und konnte dort seine Digitalisierungsexpertise einbringen. In seine Amtszeit fallen wichtige Geschäfte wie die Revision des Lehrerlohnsystems (Arcus) oder viele Immobilienvorhaben, bei denen er auch seine Erfahrung als ehemaliger Gemeindeammann einbringen konnte. Gérald gehörte nicht zu jenen Grossräten, die sich in den Vordergrund drängten, sondern im Hintergrund solide Arbeit leisteten. Auch dir, lieber Gérald, danken wir für deinen Einsatz in den vergangenen acht Jahren.
Karin Faes, Schöftland
Karin Faes trat anfangs 2021 in den Grossen Rat ein und ist rasch mit viel Engagement und Sachkompetenz aufgefallen. Sie nahm Einsitz in der Kommission Gesundheit und Sozialwesen (GSW) und hat für die FDP-Fraktion das Dossier Soziales & Asyl betreut. Auf sie war jederzeit Verlass, Geschäfte waren bei ihr in guten Händen. Sie hat es mit ihrer sympathischen, unaufgeregten und fachkompetenten Art verstanden, Allianzen über die Fraktionsgrenzen hinaus zu schmieden. Ihre Persönlichkeit, ihre Arbeit und ihr Fachwissen werden uns in der Fraktion fehlen. Wir sind uns aber sicher, dass du, liebe Karin, dein Comeback geben wirst. Karin, wir danken dir für deine grosse, geleistete Arbeit und wünschen dir, dass du uns in vier Jahren wieder mit deiner Arbeit im Rat bereichern wirst.
Philippe Ramseier, Baden
Philippe Ramseier wurde bei den Gesamterneuerungswahlen 2020 in den Grossen Rat gewählt. Ab Januar 2021 vertrat der die FDP-Fraktion bis im Juli 2024 in der Kommission für Allgemeine Verwaltung (AVW). Als Unternehmer konnte er in dieser Kommission, in welcher es hauptsächlich um Personalfragen, Informatik und Hochbauten geht, wichtige Impulse geben. Es war aber auch schwierig, die Mehrfachbelastung als Unternehmer, Stadtrat von Baden und Grossrat unter einen Hut zu bringen, was ihn dazu bewogen hat, nicht mehr für eine weitere Legislatur zur Verfügung zu stehen. Philippe, wir danken dir für deine geleistete Arbeit und das Einbringen deiner unternehmerischen Erfahrung.
Aktuelle Vorstösse aus der FDP-Fraktion
Lohndeckelung für die Axpo-Spitze Motionder Fraktionen SVP, SP, FDP (Sprecher Adrian Meier), die Mitte, Grüne, GLP, EVP
Die Konzernleitung der Axpo, welche zu 100 Prozent direkt und indirekt den Kantonen gehört, gönnt sich jährliche Lohn- und Bonuserhöhungen. Mit dem kürzlich veröffentlichten Geschäftsbericht 2023/2024 wurde publik, dass sich die Gesamtentschädigung der Konzernleitung innert Jahresfrist um unglaubliche 80 Prozent erhöhte. Die Vergütung beim aktuellen CEO erhöhte sich von 1,1 auf 1,8 Millionen Franken. Das steht in keinem Verhältnis mehr und deshalb fordern sämtliche Fraktionen im Grossen Rat einen Lohndeckel für die Konzernleitung.
Stromversorgung: Regierungsrat soll sich technologieoffen äussern Postulatder FDP-Fraktion (Sprecher Adrian Meier, Menziken) vom 17. Dezember 2024 betreffend geplante Bundesvernehmlassung zum Ausstieg aus dem KKW-Ausstieg
Der Bundesrat kündigte die Ablehnung der eidgenössischen Volksinitiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)» an, jedoch soll ihr auf Gesetzesstufe einen indirekten Gegenvorschlag unterbreitet werden. Anfangs Dezember kommunizierte die Axpo als Betreiberin der KKW Beznau deren Abschaltung. Mit dem Wegfall der beiden Meiler in Beznau fallen weitere knapp 6 Terawattstunden Strom weg. Dies entspricht rund 10 % des schweizerischen Stromverbrauches. Deshalb braucht die Schweiz auch in Zukunft alle Energieträger. Ergänzung durch Rapid Responder Postulatvon Grossrat Dr. Tobias Hottiger, Zofingen
Der Regierungsrat soll prüfen, ob im Kanton Aargau ergänzend zum bestehenden First-Responder-System zukünftig auch Rapid Responder zum Einsatz kommen können. Rapid Responder sind Angehörige professioneller Rettungsdienste, die durch ihren beruflichen Hintergrund im Vergleich zu First Respondern zusätzliche Tätigkeiten wie z.B. die Anlage eines intravenösen Zugangs ausführen und somit mutmasslich die Überlebenschancen der Patienten verbessern könnten.
Arbeitgeber nicht noch mehr bestrafen: Wie gelingt eine möglichst unternehmerfreundliche Umsetzung der Betreuungszulagen? Interpellationvon Grossrat Yannick Berner
Der Ständerat hat der Betreuungszulage für Kita-Plätze zugestimmt, welche die staatliche Subventionierung der Kinderbetreuung zusätzlich ausbaut. Die Finanzierung soll dabei den Kantonen übertragen werden. Mit diesem Entscheid droht eine Finanzierung durch die Arbeitgeber und somit eine einseitige Belastung der Unternehmen, die bereits heute durch steigende Lohnkosten und Sozialabgaben stark gefordert sind. Die Fragen an den Regierungsrat zielen darauf ab, eine unternehmerfreundliche Umsetzung sicherzustellen und die Wettbewerbsfähigkeit der Aargauer Unternehmen zu schützen.
Ratsgeflüster Neben- und Mitgeräusche der letzten Grossratssitzung
Das Legislaturende ist immer auch ein Abschiednehmen: Von austretenden Ratsmitgliedern, von befristeten Ämtern wie dem Grossratspräsidium oder Kommissionspräsidien. Und manchmal auch von Personen, die im Umfeld des Ratsbetriebs wichtige Rollen eingenommen haben. So gibt Ratsweibelin Anne Rigert nach rund fünf Jahren ihr Amt ab. Ihr Vorgänger als Weibel, André Belloli, zuletzt stellvertretender Leiter des Hausdienstes, wurde ebenfalls verabschiedet, und dies nicht zum ersten Mal. Aus dem "etwa halbjährigen" Engagement über das ordentliche Pensionsalter hinaus zu Beginn der auslaufenden Legislatur wurden schliesslich nochmals mehrere Jahre. Er werde damit quasi "überpensioniert", so Grossratspräsidentin Mirjam Kosch.
Auch am letzten Sitzungstag der Amtsperiode schenkte man sich in der Debatte nichts. Der abtretende SP-Grossrat Jürg Knuchel, hauptberuflich Chefarzt am Kantonsspital Aarau (KSA), kritisierte namens seiner Fraktion den Verkauf des Spitals Zofingen durch ebendieses KSA an einen privaten Investor scharf. Dies veranlasste FDP-Fraktionspräsident Silvan Hilfiker zu einer spontanen Fraktionserklärung, in der er sich schockiert darüber zeigte, dass Knuchel als Angestellter des KSA öffentlich gegen seinen eigenen Verwaltungsrat vom Leder ziehe und sich von den Gewerkschaften vor den Karren spannen lasse. Aufgrund dieser Kritik wiederum sah sich der angegriffene Jürg Knuchel bemüssigt, noch eine persönliche Stellungnahme abzugeben und noch eine persönliche Erklärung als "Vertreter der Bevölkerung" abzugeben und "nicht als Vasall des KSA-Verwaltungsrates". Es sei die vornehme Aufgabe der Politik, mehrere Hüte tragen zu dürfen oder tragen zu müssen. Die offensichtliche Meinungsverschiedenheit über die Wahrnehmung von Rollen und Loyalitäten blieb dann so ohne weitere Wortmeldung im Raum stehen. Immerhin freute sich die Ratsvorsitzende, zum Ende ihrer Amtszeit auch eine Wortmeldung in der Rubrik "Persönliche Erklärung" erlebt haben zu dürfen. Eine positive Sicht auf die Dinge erleichtert das bisweilen bizarre (politische) Leben sehr, was einmal mehr zu beweisen war.
Die Mitte-Fraktion wurde ihrem Ruf als Mehrheitsmacherin zum Schluss der Legislatur nochmals gerecht. Sie unterstützte geschlossen den Antrag auf Direktbeschluss der FDP-Fraktion mit Sprecherin Sabina Freiermuth, unterstützt von der SVP, auf eine Standesinitiative für verstärkte Grenzkontrollen, die damit eine komfortable Mehrheit erhielt. Nicht ganz so klar schien die Angelegenheit bei der von der SP lancierten Standesinitiative für eine staatlich gelenkte Industriepolitik, vertreten durch die künftige Co-Fraktionspräsidentin Mia Jenni. Hierzu kündigte Mitte-Fraktionspräsident Alfons Kaufmann an, dass seine Fraktion teilweise den Antrag der SP unterstützen würde. Es blieb bei der Ankündigung. In der Abstimmung drückten alle Mitte-Ratsmitglieder den Nein-Knopf. Mehrheitsmacherin zu sein kann auch anstrengend sein und manchmal möglicherweise auch etwas verwirrend. Diese Last fällt in der neuen Legislatur zumindest teilweise von der Mitte ab. Die Fraktionen SVP und FDP verfügen ab 2025 mit 73 Stimmen über eine Mehrheit im Rat und sind bei vollzähliger Präsenz nicht auf die Stimmen der Mitte angewiesen, um bürgerliche Anliegen durchzubringen oder linke Vorstösse abzulehnen. Es wird interessant zu sein, wie sich die selbsternannte Zentrumspartei in diesem neuen Umfeld zu positionieren versucht.
Christoph Hagenbuch (SVP) kann sich rühmen, am meisten Komplimente der Ratspräsidentin 2024 erhalten zu haben. Frühere Ratsgeflüster haben schon über die Lobe von Mirjam Kosch an ihren Jahrgänger Hagenbuch berichtet. Am Dienstag bemerkte die Vorsitzende bei der Beratung der SP-Standesinitiative zur Industriepolitik, dass Hagenbuch als mutmasslich einziger Grossrat realisiert habe, dass bei einem Antrag auf Direktbeschluss der Text nachträglich nicht geändert werden könne. Und sie garnierte es mit der an eine Wahlempfehlung grenzenden Bemerkung, dass die SVP sicher bald wieder Kandidaten für das Grossratspräsidium suche. Wer weiss, vielleicht strebt der machtbewusste Bauernverband Aargau nach dem voraussichtlichen Grossratspräsidiumsjahr seines Geschäftsführers und Mitte-Grossrats Ralf Bucher (vorgeschlagen als neuer Grossratsvizepräsident 2) im Jahr 2027 bald darauf einen erneuten Ratsvorsitz mit Verbandspräsident Hagenbuch an?
SVP-Grossrat Werner Scherer gehört nicht zu den Vielrednern im Rat. Am Dienstag trat er allerdings gleich zweimal ans Rednerpult. Dabei kam ihm seine etwas fehlende Routine nicht unbedingt zugute, als er sich im laufenden Votum nicht recht zwischen Mundart und Schriftsprache entscheiden konnte und damit ein linguistisches Chrüsimüsi produzierte. Scherers SVP-Parteikollege und Nationalrat Christoph Riner, Urheber der "Mundart-Initiative", langjähriger Grossrat und nicht offizialisierter Aargauer Mundart-Papst, verfolgte das Votum auf der Besuchertribüne und dürfte sich insgeheim gefreut haben, dass wenigstens ein kleiner Teil der Ratsdebatte (bzw. eines Votums) wieder einmal auf Schweizerdeutsch gehalten wurde.
Das Ende der Legislatur 2021-24 ist eine Zäsur in der Aargauer Politik. Erstmals seit 1981 wird ab 2025 der Grosse Rat (und die FDP-Fraktion) ohne Einsitz eines Mitglieds der Familie Scholl tagen. Nachdem der ehemalige Grossratspräsident Herbert H. Scholl Ende 2020 seinen Abschied aus dem Kantonsparlament gegeben hatte, geht nun auch sein Bruder Bernhard Scholl, ebenfalls ehemaliger Ratspräsident, in den politischen Ruhestand. Wie Herbert bedankte sich auch Bernhard in einem letzten Votum mit dem ihnen ureigenen Selbstverständnis eines jahrzehntelangen Engagements für die Milizpolitk: "Servir et disparaître" oder in der schweizerdeutschen Übersetzung von Bernhard Scholl: "Chrampfe und verdofte". Darauf gibt es ebenfalls eine passende prägnante französische Antwort: "Merci beaucoup!" Ratsflüsterer