Politische Arbeit findet nicht nur in Kommissionszimmern und im Ratssaal statt. Deshalb hat der Fraktionsvorstand, bestehend aus der Vize-Fraktionspräsidentin, dem Fraktionssekretär, den Ressortleitenden, unserem Regierungsrat, der Parteipräsidentin und den beiden Partei-Vizepräsidien und mir selbst, die Mittagspause im Rat für eine Klausur genutzt.
Der ersten Herausforderung mussten wir uns beim Geniessen der zur Verfügung gestellten Sandwiches stellen. Sie waren sehr reichhaltig und aufgrund ihrer Grösse war es eine Kunst sie zu verzehren, ohne Spuren auf Anzügen und Kleidern zu hinterlassen. Dass nicht nur ich, sondern auch alle anderen Sitzungsteilnehmenden zu kämpfen hatten, beruhigte mich etwas.
Das Menü unserer Sandwich-Diskussion war breit: Wir wollten klare Positionen in den Bereichen Bildung, Kultur, Sport, Sicherheit, Gesundheit, Migration, Volkswirtschaft, Finanzen, Umwelt, Bau und Verkehr entwickeln. Im Hinblick auf die kommenden Wahlen war und ist es uns wichtig, unsere zentralen politischen Positionen zu schärfen.
Und wir wollten das nicht in ausufernden Seminararbeiten tun, sondern mit dem Anspruch: "Reduce to the Max". Jedes Thema sollte auf maximal einer A4-Seite zusammengefasst werden. Das klingt einfach. Weil wir aber in der Fraktion über so viel Knowhow verfügen, war die Gefahr gross, sich zu verzetteln und das "Grosse Ganze" aus den Augen zu verlieren. Die Aufgabe ist klar, jetzt müssen wir sie nur noch in konkrete Inhalte giessen.
Die Positionen werden wir an einem Workshop im Juni allen 140 FDP-Kandidatinnen und -Kandidaten für die Grossratswahlen vorstellen. Dabei präsentieren wir auch unseren "liberalen Elchtest", um sicherzustellen, dass die liberalen Werte im Wahlkampf hochgehalten werden. Mit diesem Elchtest stellen wir politische Anliegen auf den liberalen Prüfstand, um einen konstruktiv-kritischen Diskurs zu ermöglichen.
Bis zu den Wahlen bleiben noch etwas über vier Monate. Wir sind überzeugt, dass wir bestens vorbereitet in den Wahlkampf ziehen werden.
FDP-Fraktion und Ratsmehrheit für bestehende Altersgrenze 18
Das Anliegen der Herabsetzung des Stimmrechtsalters auf 16, wie es ein Volksinitiative mehrerer Jungparteien möchte, tönt sympathisch. Es wird damit begründet, dass bereits mit 16 ein grosser Schritt in Richtung Erwachsensein gemacht wird. Beispielsweise wird ab diesem Zeitpunkt der volle Fahrpreis im ÖV fällig und strafrechtlich kann man ebenfalls härter belangt werden.
Die FDP-Fraktion war einstimmig der Ansicht, dass das Stimmrechtsalter mit dem Mündigkeitsalter übereinstimmen sollte, da Rechte und Pflichten in der Schweiz eng miteinander verknüpft sind. Zudem gibt es bereits bestehende Möglichkeiten für Jugendliche, sich politisch zu engagieren, wie Jugendparlamente, Jugendsessionen und Jungparteien.
Mit 75 Ja- zu 58 Nein-Stimmen empfiehlt der Grosse Rat die Initiative für ein Stimmrechtsalter 16 zur Ablehnung. Das letzte Wort hat das Volk an der Urne.
Weichen für die strategische Ausrichtung des Aargauer Gesundheitswesens gestellt
Der Grosse Rat hat an seiner vergangenen Sitzung die Gesundheitspolitische Gesamtplanung (GGpl) 2030 einstimmig genehmigt. Während der Beratung gab es aus freisinniger Sicht zwar ein paar wenige Wermutstropfen, mit dem Grossteil des Strategiepapiers ist die FDP jedoch einverstanden.
Nach einem langwierigen Prozess mit mehreren Verzögerungen kam die GGpl 2030 schliesslich doch noch ins Ziel. Das komplexe und umfangreiche Papier hält die strategische Ausrichtung des Gesundheitswesens im Kanton Aargau fest. Es umfasst rund 80 Teilstrategien, die sich auf die verschiedensten Bereiche beziehen. Der Grosse Rat benötigte für die Beratung beinahe die gesamte Zeit des Sitzungstages.
Diverse Aspekte der GGpl 2030 waren aus Sicht der FDP völlig unbestritten – dazu gehörten unter anderem der Einsatz für Forschungs- und Innovationsprojekte in der anwendungsorientierten Gesundheitsforschung, die Bemühungen zur integrierten Versorgung und Digitalisierung, Teilstrategien zur Prävention und Früherkennung, die Ausrichtungen bei der Akutsomatik, Psychiatrie und Rehabilitation sowie in den Bereichen Rettungswesen, Palliative Care und Sucht.
Viel zu diskutieren im Grossen Rat gab die geplante Bildung von Versorgungsregionen zur Sicherstellung der Pflegeversorgung. Während der Beratung erfolgten noch zwei Änderungsanträge aus den Reihen der Mitte-Fraktion, die jedoch beide abgelehnt wurden.
Entflechtung der Mehrfachrolle ist unbedingt nötig
Einen Zankapfel stellte die vom Regierungsrat vorgeschlagene Kostendämpfung durch vertraglich vereinbarte Leistungsziele dar. Die FDP-Fraktion glaubt nicht daran, dass der Staat bessere Indikationen stellen kann als Ärztinnen und Ärzte. Leider blieb der Versuch, diese planwirtschaftliche Teilstrategie zu streichen, erfolglos. Gegen eine unheilige Allianz aus linken Parteien und der SVP stand die FDP auf verlorenem Posten. Lediglich die Mitte-Fraktion stimmte auch für die Streichung.
In Bezug auf die Eigentümerschaft an den Aargauer Kantonsspitälern, die sich momentan zu 100 Prozent im Besitz des Kantons befinden, signalisierte der Regierungsrat in einer Teilstrategie Bereitschaft, zukünftig auch eine Veräusserung von mehr als der heute möglichen 30 Prozent im Gesetz zu verankern. Aus Sicht der FDP ist das der einzig richtige Schritt. Der Kanton hat aktuell nämlich zu viele Hüte auf dem Kopf: Er ist Eigentümer, Hauptfinanzierer, Leistungsbesteller und Regulator. Eine Entflechtung dieser Mehrfachrolle ist unbedingt nötig. Auch bei einer Veräusserung der Beteiligungen an den Kantonsspitälern bliebe die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung gewährleistet, da der Kanton weiterhin über die Spitalliste bzw. Leistungsvereinbarungen steuern kann. Die linken Parteien befürworteten eine Streichung dieser Teilstrategie, blieben allerdings erfolglos. Die FDP und die SVP sprachen sich geschlossen für den Vorschlag des Regierungsrates aus und wurden noch je von der Hälfte der Mitte- und GLP-Fraktion unterstützt.
Tätigkeitsbereich der Ombudsstelle wird nicht ausgeweitet
Eine Teilstrategie sah vor, das Tätigkeitsgebiet der bereits existierenden, vom Kanton beauftragten und finanzierten Ombudsstelle für pflegebedürftige Menschen auf ärztliche Behandlungen in der Praxis und im Spital auszudehnen. Aus Sicht der FDP hätte eine solche Ausweitung nur zu höheren Kosten ohne wirklichen Nutzen geführt. Mit Hilfe der anderen bürgerlichen Parteien gelang es, diese Teilstrategie zu streichen.
Weiter schlug der Regierungsrat vor, im Bereich der Spitalversorgung die Leistungserbringer über ein Bonus-Malus-System dazu zu verpflichten, Weiterbildungsplätze für Assistenzärzte in denjenigen Fachgebieten anzubieten, für die sie über kantonale Leistungsaufträge verfügen. Diese Teilstrategie verfolgt zwar ein erstrebenswertes Ziel, führt aber zu mehr Bürokratie und verfehlt die Wirkung im Ziel. Für die meisten Spitäler ist es schlichtweg unmöglich, für jedes Fachgebiet, für das sie einen Leistungsauftrag haben, Weiterbildungsplätze anzubieten. Eine grosse Mehrheit der FDP-Fraktion wollte diese Teilstrategie streichen, die Unterstützung der Mitte und vereinzelter anderer Grossratsmitglieder reichte allerdings nicht aus, um gegen die Mehrheit des Grossen Rates anzukommen.
Es wurde lediglich der erste Schritt gemacht
Die GGpl 2030 wurde vom Grossen Rat schliesslich einstimmig genehmigt. Damit ist zwar ein grosser Schritt gemacht, aber man darf nicht vergessen, dass es lediglich ein Strategiepapier auf der höchsten Flugebene ist. Die Revisionen diverser Gesetze, in denen die strategischen Vorgaben aus der GGpl 2030 konkret umgesetzt werden sollen, stehen noch bevor.
Aktuelle Vorstösse aus der FDP-Fraktion
Sicherheit im öffentlichen Raum Motionder FDP-Fraktion, Sprecher Silvan Hilfiker
Der Regierungsrat soll beauftragt werden, das Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum sowie im öffentlichen Verkehr zu verbessern. Dies ist von grundlegender Bedeutung für das Wohlbefinden und das Vertrauen in unsere Gesellschaft. In Anbetracht verschiedener Herausforderungen wie Übergriffe im öffentlichen Raum aber auch die wahrgenommene Unsicherheit an Bahnhöfen unterstreichen, dass Massnahmen notwendig sind, um die Sicherheit zu gewährleisten. Die Bevölkerung soll sich sicher fühlen, wenn sie am Abend im öffentlichen Verkehr unterwegs ist oder sich sonst im öffentlichen Raum aufhält.
Der Grosse Rat soll jährlich über Aufhebung überholten Regulierungen befinden Motionvon Grossrätin Karin Faes und weiteren Ratsmitgliedern
Bürokratie und administrative Auflagen sind für KMU seit Jahren eine zunehmende zeitliche und finanzielle Belastung. Aber auch Gesundheitsinstitutionen, die Landwirtschaft oder das Bildungswesen werden durch immer neue Regulierungen belastet und damit der Fachkräftemangel verschärft. Der administrative Aufwand bringt mittlerweile etliche Berufsgruppen an den Anschlag. Einmal im Jahr soll der Grosse Rat deshalb Regulierungen aufheben können.
Kommissionsvorstoss
Verordnungsreferendum in Notstandslagen Parlamentarische Initiativeder Kommission für Aufgabenplanung und Finanzen (KAPF), Sprecher Dr. Lukas Pfisterer
Ausgelöst durch einen FDP-Vorstoss (Motion 20.100, Sprecher Herbert H. Scholl) hat die Finanz-Kommission KAPF eine parlamentarische Initiative (PaIv) zur Stärkung des Grossen Rats in Notstandlagen ausgearbeitet. In der Corona-Zeit hatte der Regierungsrat durch Sonderverordnungen (§ 94 Abs. 4 KV) strenge Regeln erlassen und sogar Freiheitsrechte entzogen. Der Grosse Rat konnte dies nicht verhindern, nur protestieren. Neu soll der Grosse Rat ein Referendumsrecht gegen diese SVo erhalten. Zudem soll eine Kommission den Regierungsrat in seiner Krisenarbeit begleiten.
Stimmt der Grosse Rat der PaIv zu, wird eine Verfassungsänderung notwendig.
Ratsgeflüster Neben- und Mitgeräusche der letzten Grossratssitzung
Die Thematik Stimmrechtsalter 16 war am Dienstag zum wiederholten Mal Gegenstand von Diskussionen im Grossen Rat, dieses Mal aufgrund einer Volksinitiative mehrerer Jungparteien. Nicht ganz überraschend stiess die Debatte auf einiges öffentliches Interesse, so waren auch auf der Besuchertribüne verschiedene Schulklassen mit ihren Lehrpersonen anwesend. Zumindest zu Beginn der Debatte, nach und nach lichteten sich dann die Reihen auf den Besucherrängen. Titus Meier (FDP), Präsident der Bildungskommission, betonte die Wichtigkeit von politischer Bildung in der Schule, die dank einer seinerzeit von den Jungfreisinnigen lancierten Volksinitiative mittlerweile fester Bestandteil des Aargauer Lehrplans sei. Ein Stimmrechtsalter 16, abweichend vom Mündigkeitsalter 18, lehnte die FDP-Fraktion aber einstimmig ab.
Auch die Mitte-Fraktion habe sich intensiv mit dem Stimmrechtsalter 16 befasst, wie Sprecher Markus Schneider verlauten liess. Es gäbe sowohl Argumente dafür wie dagegen und schliesslich sei festgestellt worden, dass man fraktionsintern eine geteilte Meinung in dieser Sache habe. Aha. Das ist gelebte Basisdemokratie. Oder einfach tägliche Realität bei der politisch flexiblen "Mitte"?
Die Debatte über die sehr umfassende Vorlage der Gesundheitspolitischen Gesamtplanung zog sich – wenig überraschend – über mehrere Stunden hin. Tobias Hottiger brachte namens der FDP-Fraktion die unmögliche Mehrfachrolle des Kantons im Gesundheitswesen zur Sprache. Es sei etwa so, wie wenn Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati am später stattfindenden Spiel des FC Kantonsrat Solothurn gegen den FC Grossrat Aargau zugleich Spieler und Schiedsrichter wäre. Für Augenrollen und Kopfschütteln sorgte SP-Grossrat Jürg Knuchel, als er ausführte, dass der besagte Rollenkonflikt des Kantons als Regulator, Überwacher gleichzeitiger Eigentümer des Kantonsspitals Aarau (KSA) eigentlich gar nicht so gross sei. Dass er aus voller Überzeugung nicht an diesen Konflikt glaubt, manifestierte Knuchel mit diesem und anderen Voten zur GGpl gleich selbst, indem er seine berufliche Tätigkeit als Chefarzt des KSA (sic!) geflissentlich ignorierte. Darüber, ob Dr. Knuchel hier ein Brett (wahrscheinlich ein Chefarzt-Klemmbrett) vor dem Kopf hatte oder diese Zusammenhänge (nicht zum ersten Mal) mutwillig ausser Acht liess, kann nur gemutmasst werden.
Mehr Ausdauer als die oben erwähnten Schulklassen bewies eine Delegation des Verbands Kies und Beton (VKB) Aargau und wurde dafür belohnt. Die Herren des VKB liessen die umfassende GGpl-Debatte über sich ergehen in der Hoffnung, dass auch noch die für sie interessante Thematik der Umsetzung des Rohstoffversorgungskonzepts im Richtplan beraten werde. Und das wurde sie dann letztlich noch: Ratspräsidentin Mirjam Kosch änderte die Traktandenliste und liess die letzten 15 Minuten der Nachmittagssitzung über das RVK beraten. Das reichte just. Um 17:00 Uhr stimmte der Grosse Rat mit lediglich einer Gegenstimme dem RVK zu und die VKB-Delegation konnte über ihren Erfolg beim Feierabendbier anstossen. Ratsflüsterer