Höhere Steuern für noch höhere Gewinne beim Kanton?
Es war eine bittere Woche für die FDP-Grossratsfraktion. Unweigerlich kamen mir dabei die Worte einer ehemaligen linken Ratskollegin nach einer verlorenen Abstimmung vor ein paar Jahren in den Sinn: "Die Bürgerlichen sind es nicht gewohnt zu verlieren – im Gegensatz zu uns. Man gewöhnt sich daran, aber bleib locker, beim nächsten Mal werdet ihr wieder erfolgreich sein." Im Lichte der letzten Ratssitzung scheinen wir uns allerdings umgewöhnen zu müssen und ich frage mich ernsthaft, wie die bürgerliche Politik im Aargau in Zukunft aussehen wird.
Dank der Klientelpolitik der GLP wurde der Geldhahn für Pflegende geöffnet. Mit den zusätzlichen Ausgaben sollte ein Zeichen gesetzt, die Sinnhaftigkeit und Ausgabenbasis waren sekundär. Anschliessend legte der Rat bei der Diskussion über die Erhöhung des Eigenmietwerts den Wert entgegen der ersten Beratung auf 62 Prozent fest. Die höhere Festlegung war nur durch das Umschwenken der GLP möglich, die einmal mehr von ihrem "liberalen" Kurs abwich. Erstaunlicherweise blieb die Mitte für einmal bei ihrer Meinung, was nicht selbstverständlich war. Lesen Sie dazu auch den entsprechenden Artikel in dieser Ausgabe.
Die Steuereinnahmen steigen somit erneut an – eine äusserst bedenkliche Entwicklung vor dem Hintergrund des Reservekässelis, das nach dem sensationellen Jahresabschluss 2023 mittlerweile auf fast 1'000 Millionen Franken angestiegen ist. Für die FDP ist klar, dass diese Mehreinnahmen an die Bevölkerung zurückverteilt werden müssen. Wir haben deshalb bereits entsprechende Vorstösse eingereicht, aufgrund der neuen Situation müssen wir aber noch zusätzliche Forderungen stellen. Mich stört vor allem, dass die staatlichen Leistungen trotz stetiger Überschüsse in keinem ausgewogenen Verhältnis zu den Steuerzahlungen stehen. Die Umsetzung der Steuergesetzrevision ist somit dringender denn je, damit gerade der stark belastete Mittelstand künftig gezielt steuerlich entlastet wird.
Nächste Woche werden wir uns mit der Steuergesetzrevision befassen. Vor dem Hintergrund der guten Finanzlage werden wir in diesem Zusammenhang weitere Überlegungen zur Entlastung der Aargauer Bevölkerung anstellen.
Der Grosse Rat hat einen Verpflichtungskredit von 65,9 Millionen Franken für die Ausbildungsoffensive im Rahmen der Umsetzung der Pflegeinitiative gesprochen. Dieser Betrag ist höher als vom Regierungsrat beantragt.
Im November 2021 hat das Schweizer Volk die eidgenössische Volksinitiative "Für eine starke Pflege" angenommen. In der Folge hat der Bundesrat beschlossen, dass die Umsetzung in zwei Etappen erfolgen soll. Die erste Etappe befasst sich mit der Ausbildung, die zweite Etappe mit der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege.
Für die erste Etappe (Ausbildungsoffensive) hat der Bundesgesetzgeber den Kantonen konkrete Massnahmen zugewiesen, die sie bis im Sommer 2024 umsetzen müssen. Der Bund finanziert über einen Zeitraum von acht Jahren die von den Kantonen geleisteten Projekte höchstens zur Hälfte mit. Der Regierungsrat des Kantons Aargau will die erste Etappe der Pflegeinitiative in folgenden drei Teilprojekten umsetzen: Beiträge an Betriebe zur Förderung der praktischen Ausbildung, Förderbeiträge an Auszubildende zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Beiträge an die höheren Fachschulen.
Der Regierungsrat beantragte für die Umsetzung einen Verpflichtungskredit von 61,7 Millionen Franken brutto. Bei der Beratung im Grossen Rat waren sich die Parteien einig, dass Handlungsbedarf besteht und der Volkswille umgesetzt werden muss. In Bezug auf die Finanzierung der einzelnen Teilprojekte gab es allerdings voneinander abweichende Meinungen.
Mitte-Links setzte sich mit Krediterhöhung durch
Die FDP-Fraktion folgte grösstenteils der Argumentation des Regierungsrates, der mit der Vorlage eine gute Balance zwischen notwendigen Investitionen in die Pflege und finanzpolitischer Umsicht gefunden hatte. Lediglich die vollständige Übernahme der Studiengebühren für die HF führte aus freisinniger Sicht zu weit. Wer eine gute Ausbildung bekommt, sollte auch bereit sein, etwas dafür zu bezahlen. Die FDP sprach sich dafür aus, die Studiengebühren nur zur Hälfte zu übernehmen.
Diese Haltung teilten auch andere Fraktionen. Die dadurch ermöglichte Einsparung beim Kredit wurde jedoch mehr als "aufgefressen", weil eine Mitte-Links-Mehrheit gleichzeitig die Förderbeiträge an Auszubildende zur Sicherung des Lebensunterhaltes deutlich ausbauen wollte. Somit resultierte am Schluss eine Erhöhung des Kredits um 4,2 Millionen Franken auf total 65,9 Millionen Franken.
Aus freisinniger Sicht ist nun zentral, dass diese Gelder effizient und zielgerichtet eingesetzt werden. Es muss ein genaues Monitoring erfolgen. Im Aufgaben- und Finanzplan (AFP) soll ein entsprechender Entwicklungsschwerpunkt geschaffen werden.
Grosser Rat lehnt Leitsatz für Bildung einer Einheitspolizei ab
Es war die grosse Grundsatzfrage, soll der Kanton Aargau weiterhin flächendeckend über zwei Polizeiorganisationen verfügen oder künftig über eine einheitlich organisierte Polizei Aargau. Der Regierungsrat beantwortete die Frage in der aktuellen Vorlage mit der Einheitspolizei – nachdem er aber vor etwas mehr als einem Jahr noch zum gegenteiligen Schluss gekommen ist.
Die Ratspräsidentin führte die Eintretens- und die Grundsatzfrage, der im Leitsatz 1a festgehalten war, direkt zusammen. Die Rednerliste war mit 24 Votantinnen und Votanten ausserordentlich lang; vor allem Gemeinde- und RegionsvertreterInnen machten sich stark für ihre Regionalpolizeien. Die Vorsitzende gemahnte zwar zur Kürze, was von den Sprechenden jedoch nicht nennenswert berücksichtigt wurde.
Grosse Herausforderung in der Sicherheitsarchitektur
In Anbetracht von neuen, aufwändigen Kriminalitätsformen (Cybercrime, Menschenhandel, Banden-/Clankriminalität), den verschiedenen Abstimmungs- und Zuständigkeitsschwierigkeiten mit 15 unterschiedlichen Regionalpolizeien sowie der Möglichkeit, die Organisation zu straffen und effizienter aufzugleisen, liessen den Regierungsrat zum Schluss kommen, es sei ein Systemwechsel hin zu einer Aargauer Einheitspolizei zu vollziehen. Die Kritiker und somit Gegnerschaft dieser Vorgehensweise verwiesen darauf, dass das aktuelle duale System sehr gut funktioniere und bei der Bevölkerung auch entsprechend Anklang findet und beliebt ist. Die lokalen und regionalen Bedürfnisse können besser auf Stufe Regionalpolizei organisiert werden, es wurde skeptisch geäussert, ob dies einer Einheitspolizei gleich gelingen würde. Bestehende Problematiken wie Zuständigkeiten können und sollen innerhalb des bestehenden Systems angepasst und verbessert werden.
Optimierung der bestehenden Organisation als Auftrag
Nach der sehr langen Diskussion wurde das Verdikt über den Leitsatz 1a gefällt, der Grosse Rat sprach sich mit 74 zu 61 gegen den Systemwechsel und somit für die Beibehaltung der dualen Polizeiorganisation aus. Die weiteren Leitsätze wurden gemäss der Kommissionsvorlage so bestätigt. Es wird nun darum gehen, die Verbesserung der bestehenden Organisation inkl. Abgrenzung der Zuständigkeiten in Angriff zu nehmen, damit die Polizeien im Aargau gerüstet sind für die Zukunft.
Ärgernis Eigenmietwert: Eine unendliche Geschichte
Eigenheimbesitzer werden unnötig stark zur Kasse gebeten
Der Eigenmietwert ist ein Ärgernis, den wir seitens FDP lieber abschaffen möchten. Darum ging es bei dieser Vorlage aber nicht, sondern um einen Entscheid des Verwaltungsgerichts. Dieses hatte im September 2020 den Kanton Aargau dazu verpflichtet, die Eigenmietwertbesteuerung anzupassen, weil die bisher verwendete Wertbasis nicht mehr dem aktuellen Verkehrswert entspricht. Die FDP akzeptiert selbstverständlich diese Umsetzung von Bundesrecht. Wir sehen aber keine Notwendigkeit, über die bundesrechtlichen Vorgaben hinauszugehen und dadurch die Standortattraktivität des Kantons unnötig zu schwächen.
Der Grosse Rat hat wegen dem Umschwenken der GLP in der zweiten Lesung ganz und gar nicht im Sinne der FDP entschieden. Die Ergebnisse:
Höhe des Eigenmietwerts: Der Regierungsrat forderte die Festlegung des Eigenmietwerts bei 62 Prozent der Marktmiete und damit einen leicht höheren Wert als die 60 Prozent, die das Bundesrecht im Minimum vorsieht. Die FDP hat sich in der zweiten Beratung erfolglos dafür eingesetzt, die Belastung für die Eigenheimbesitzerinnen und Eigenheimbesitzer so tief wie möglich zu halten. Unser Antrag, den Eigenmietwert bei 60 Prozent festzulegen, ist wegen den fehlenden Stimmen aus GLP und Mitte leider gescheitert.
Schätzungsrhythmus: Die Regierung forderte eine Neuschätzung alle fünf Jahre. Aus unserer Sicht darf der Schätzungsrhythmus aber nicht zu kurz sein und so unterstützten wir den Antrag der SVP, den Schätzungsrhythmus bei zehn Jahren festzulegen. Der Rat entschied anders – auch hier wegen der Geschlossenheit von Mitte und GLP, die mit den Linken im Boot sassen. Künftig werden alle fünf Jahre alle Liegenschaften im Kanton Aargau neu geschätzt. Den Mehrwert dieses bürokratischen Aufwands sehe ich nicht.
Steuereinnahmen: Nun fallen beim Kanton Mehreinnahmen von rund 88 Millionen Franken jährlich wiederkehrend an (gegenüber 70 Millionen Franken aus erster Beratung). Für uns ist klar, die zusätzlichen Einnahmen sind zu kompensieren und an diejenigen zurückzuführen, die einer steuerlichen Mehrbelastung ausgesetzt sind. Dies hat der Grosse Rat bereits mit der Überweisung unseres Postulats entschieden.
Am Ende lehnten die Fraktionen FDP und SVP diese Vorlage erfolglos ab, sie wurde mit 58 Nein zu 76 Ja angenommen. Pikant: nur sechs Stimmen weniger hätten eine Volksabstimmung ausgelöst. Wir konzentrieren uns jetzt darauf, die Mehreinnahmen zurückzuverteilen.
Parteitag 24/2 Dienstag, 26. März 2024, 19:00 Uhr SICKINGA-Festsaal, Untersiggenthal u.a. mit Parolenfassungen zu den Abstimmungen vom 9. Juni 2024 und Nomination der Regierungsratskandidatur 2024
Einrichtung eines besonderen Zentrums für Asylsuchende Motionvon Grossrat Dr. Adrian Schoop
In einer Motion fordere ich den Regierungsrat auf, zu prüfen, ob ein sogenanntes besonderes Zentrum im Kanton Aargau errichtet werden kann. In einem solchen Zentrum könnten kriminelle Asylsuchende untergebracht und von der Gesellschaft abgeschottet werden. Ein besonderes Zentrum würde nicht nur Wiederholungstaten verhindern und abschreckend wirken, sondern auch das Sicherheitsgefühl der Bürger stärken. Die Rechtsgrundlagen dazu finden sich im Asylgesetz sowie im Ausländer- und Integrationsgesetz.
Fussfesseln und Bewegungsverbote Postulatvon Grossrat Dr. Adrian Schoop
Angesichts eines drastischen Anstiegs von Diebstählen, der hauptsächlich von abgewiesenen Asylsuchenden aus den Maghreb-Staaten verursacht wird, sind neue Massnahmen gefragt. Ich fordere den Regierungsrat deshalb auf, straffällige Asylsuchende zum Tragen von elektronischen Fussfesseln zu verpflichten und ein Betretungsverbot für gewisse Gebiete konsequent durchzusetzen. Peilsender sollen dabei nicht nur zur Prävention und einfacheren Täteridentifikation beitragen, sondern auch ein Betretungsverbot (z.B. von Quartieren) effektiv durchsetzen. Dieser Ansatz soll insbesondere auch Wiederholungstaten verhindern.
Fragen zur Kriminalitätswelle Interpellationvon Grossrat Dr. Adrian Schoop
In einer Interpellation möchte ich vom Regierungsrat verschiedene Fakten über die Kriminalitätswelle erfahren. Insbesondere möchte ich wissen, wie stark die Ressourcen der Polizei belastet sind, aus welchen Staaten die Kriminellen kommen, wie viele Wiederholungstaten stattfinden und wie viele Personen letztlich verurteilt werden. Diese Daten sind entscheidend, um weitere Massnahmen gegen die wachsende Kriminalität zu ergreifen.
Ratsgeflüster Neben- und Mitgeräusche der letzten Grossratssitzung
Stundenlang beschäftigte sich der Grosse Rat am Dienstag mit der Frage der Polizeiorganisation. Die Befürworter des dualen Systems sorgten für eine orchestrierte Kaskade zur Erhaltung der Regionalpolizeien. Roland Kuster (Mitte), seines Zeichens auch Gemeindeammann von Wettingen, wo aufgrund von personellen Engpässen die Kantonspolizei seit Monaten die Regionalpolizei direkt unterstützt, bemühte sich um eine lange (um nicht zu sagen längliche) Herleitung seiner Position. Diese Position war denn auch – man möchte sagen typischerweise für einen Mitte-Vertreter – nicht klar greifbar. Die "hybride" Polizeiform sei die richtige, also wohl eine Art Einheit innerhalb einer weiterhin dualen Polizeiform. Was auf den ersten Blick abenteuerlich anmutet, könnte aufgrund der Erfahrungen im "Labor Wettingen" und des Entscheides des Grossen Rates für die Erhaltung der Regionalpolizei schon bald zumindest als Option geprüft werden.
Unmittelbar nach Kusters Votum unterbrach Grossratspräsidentin Mirjam Kosch pünktlich um 12:30 Uhr die Sitzung für die Mittagspause. Sie tat dies verbunden mit der Bitte, die nach wie vor zahlreichen angemeldeten Votantinnen und Votanten zum Thema Polizeiorganisation mögen doch nochmals prüfen, ob ihre vorgesehenen Voten nicht auch Punkte enthielten, die bereits von Vorredner/innen angesprochen wurden. Sie erntete dafür spontanen Beifall aus dem Halbrund.
Der Appell der Vorsitzenden schien jedoch nach Wiederaufnahme der Beratungen am Nachmittag ungehört verhallt. Es wurde weiter heftig und lange zur Polizeiorganisation debattiert, bis hin zur bekannten Shakespearschen Grundsatzfrage, die Jeanine Glarner (FDP) in den Raum trug: "Sein oder Nichtsein", das sei letztlich die Frage. Die Antwort aus Sicht der Repol ist bekannt: Sie "ist" weiterhin.
Apropos philosophische Grundsatzfragen: EVP-Fraktionspräsident Uriel Seibert, üblicherweise bekannt (oder berüchtigt) für Voten, die eher Richtung Predigt oder Philosphie-Vorlesung gehen, hatte am Dienstagnachmittag die Lacher und Sympathien auf seiner Seite, als er sich für seine etwas belegte Stimme mit dem Hinweis entschuldigte, er arbeite seit neuestem wieder als Lehrer.
Daniel Urech (SVP) hat gemäss eigener Aussage seine Karriere als Hobbyskifahrer definitiv beendet. Dies aufgrund eines schmerzhaften Zwischenfalls vor wenigen Wochen, der ihn bis auf Weiteres zwingt, an Krücken zu gehen. In seiner beruflichen Tätigkeit als Finanzchef der Landi Freiamt lässt sich Urech deshalb aber ebensowenig einschränken wie beim politischen Wirken im Grossen Rat. Ein kleines logistisches Problem als Krückenbenutzer, nämlich den Transport des Laptops vom Sitzplatz im Saal nach vorne zum Rednerpult, konnte er dank freundlicher Assistenz seiner Sitznachbarin Nicole Heggli-Boder elegant lösen. Die Freiämter SVP-Kollegin begleitete Votant Urech mit Laptop nach vorne, platzierte das Endgerät auf dem Rednerpult, und holte es nach dem Redebeitrag von Urech wieder ab. Es geht nichts über gutes Teamwork. Ratsflüsterer
Herausforderungen in der Migrationspolitik oder "Die Letzten beissen die Hunde"
Anlass der FDP Seniorinnen u. Senioren Aargau zu aktuellem Thema
Aktueller hätte das Thema kaum sein können: Am gleichen Tag, an dem der Ständerat u.a. einen freisinnigen Vorstoss für asylpolitische Verschärfungen verhandelte (der aber ausgerechnet wegen der abweichenden Haltung zweier FDP-Ständeräte scheiterte), informierten sich die Aargauer FDP Seniorinnen und Senioren, wie verantwortliche Instanzen in Kanton und Gemeinden die Zuweisung, Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden bewältigen, und wie die Kantonspolizei mit straffälligen Migranten umgeht.
Karl Graf, seit fünf Monaten Leiter der Sektion Betreuung in der Unterabteilung Asyl des Departements Gesundheit und Soziales, die FDP-Gemeinderätin Manuela Obrist, Hausen, und Hptm Heinz Meier, Abteilungschef der Kantonspolizei, beleuchteten anhand von Fakten und täglichen Erfahrungen die Herausforderungen im Vollzug der Migrationspolitik. Ihre schnörkellose Darstellung der komplexen Aufgabenbewältigung erweckte den Eindruck, dass in der Verfahrenskette Bund-Kanton-Gemeinden vor allem "die Letzten die Hunde beissen".
Weiterhin hoher Druck
Die Notlage, die der Aargau vor einem Jahr im Asylbereich ausrief, bleibt laut Karl Graf bestehen, weil der Druck auf Kanton und Gemeinden bei der Bereitstellung der benötigten Unterbringungsplätze sowie der Rekrutierung und Ausbildung des Betreuungspersonals weiterhin hoch ist. 2023 teilte das Staatssekretariat für Migration SEM dem Aargau im Durchschnitt täglich rund 9 Personen oder über das ganze Jahr insgesamt 3'221 Asylsuchende zu. Nationalitätsmässig verteilten sie sich folgendermassen: Ukraine 1'509, Türkei 358, Afghanistan 313, Algerien 248, Marokko 156. Schon im Februar 2024 wurden dem Kanton weitere 315 Personen – rund 11 pro Tag – zugewiesen.
Die Schutzsuchenden kommen zuerst in das kantonale Erstaufnahmezentrum Torfeld in Buchs zu Bedarfs- und Gesundheitsabklärungen. Dort werden ihnen auch Rechte, Pflichten und Verhaltensregeln mitgeteilt. Nächster Schritt ist die Zuweisung in Gastfamilien bzw. kantonale und kommunale Unterkünfte. Der Krisenmodus ermöglicht es dem Kanton, Personen auch in Notunterkünften unterzubringen und dafür nötigenfalls in abgekürzten Verfahren unterirdische Anlagen zu eröffnen sowie Zivilschutzorganisationen zur Betreuung aufzubieten. Zurzeit werden vier solche Anlagen genutzt, weitere sind in Planung. Zudem steht die Eröffnung von sieben oberirdischen Unterkünften mit total 600 Plätzen bevor, darunter ein Obdach für unbegleitete minderjährige Asylsuchende UMA.
Zusammenarbeit – das Schlüsselwort
Nach fünf Monaten im Amt stellte Karl Graf fest, die gesetzlichen Vorgaben und Abläufe seien nicht auf Krisenmodus ausgerichtet. Zusammenarbeit sei das aktuelle Gebot. In ihrem "Lagebericht" gab Gemeinderätin Manuela Obrist Einblick in die Mühsal des Asylwesens auf kommunaler Ebene. Manuela gehörte erst wenige Monate dem nach seiner mehrheitlichen Abwahl komplett erneuerten Gemeinderat Hausen an, als das mit Schulden belastete 3'700-Seelen-Dorf durch den Ausbruch des Ukrainekriegs 2022 schlagartig mehr Asylanten aufnehmen musste. Dank ihrer guten Vernetzung und der grosszügigen Unterstützung der Bevölkerung konnte die neue Sozialvorsteherin rasch Privatunterkünfte und Hilfsgüter organisieren. Sie sah aber richtig voraus, dass die spontanen privaten Unterbringungen durch längerfristig garantierte Unterkünfte abgesichert werden mussten.
Das Wohnraumproblem verschärfte sich zusätzlich, als Hausen nicht nur noch mehr, sondern vor allem auch ein Dutzend junge Asylsuchende aus Afghanistan, zum Teil UMA’s, aufzunehmen und zu betreuen hatte. In 10 Wohnungen sind gegenwärtig 38 Asylsuchende untergebracht. Manuela Obrist achtet aus finanziellen Gründen akribisch darauf, dass die Gemeinde das Aufnahmekontingent erfüllt, damit sie dem Kanton keinen "Penalty" schuldig ist (Ausfallentschädigung von 90 Franken pro Tag und Person bei nicht erfüllten Aufnahmekontingenten). Umso mehr ärgerten die Sozialvorsteherin die Kosten für eine notwendige komplette Wohnungssanierung, welche die Gemeinde nach dem Auszug einer eritreischen Flüchtlingsfamilie zu bezahlen hatte. Manuela Obrist verschwieg nicht, dass sie Personen, die sich nicht an die Regeln halten, hin und wieder "den Tarif durchgeben" müsse.
Nordafrikaner beschäftigen die Polizei
Hptm Heinz Meier bestätigte, dass vorwiegend nordafrikanische Personen, die nur einen kleinen Teil der Asylsuchenden ausmachen, die Polizei beschäftigen und das Migrationssystem strapazieren. Von 2020 bis 2023 stiegen im Aargau die Einbruchdiebstähle stetig von 1'637 auf 2'749, die Ladendiebstähle von 459 auf 967 und die Fahrzeugaufbrüche resp. Diebstähle aus – oft unverschlossenen! – Fahrzeugen von 216 auf 1'551. Sogar maghrebinische Delinquenten aus dem neuenburgischen Bundesasylzentrum Boudry wurden schon im Aargau aufgegriffen. Sie sind bei Kontrollen oder Festnahmen oft aggressiv. Viele sind Wiederholungstäter. Es sind Leute, die nichts zu verlieren haben.
Verschiedene Umstände erschweren die polizeiliche Arbeit. Die Verschmelzung des lokalen Wissens mit überregionalen Erkenntnissen fehlt. Selbst die Polizei weiss zu wenig, was die Polizei schon weiss. Dazu kommt, wie es Hptm Meier nannte, ein "vergoldetes Rechtssystem". In vielen Fällen müssen Täter nach 24 Stunden wieder auf freien Fuss gesetzt werden. Die Beschuldigtenrechte wurden ausgebaut, die kurzen Haftstrafen abgeschafft, die DNA-Auswertung erschwert. Trotz verstärkter Präsenz sieht die Polizei keinen Rückgang der Delinquenz. Was sie auch im Auge behalten muss, sind vermehrte "fremde" Fehden zwischen Flüchtlingen, etwa Auseinandersetzungen unter Eritrern.
Konsequenter einschreiten
Die asylpolitische "Auslegordnung" interessierte die FDP Seniorinnen und Senioren, wie die Diskussion zeigte. Daran nahm der frühere Präsident der FDP Schweiz und ehemalige Aargauer Ständerat Philipp Müller, ein Migrationsspezialist, zwar nicht persönlich teil, aber er äusserte sich im Voraus ziemlich skeptisch. Im Asylwesen bestehe kein Verfahrens- sondern ein Vollzugsproblem. Die Gesetze seien da, man müsste sie nur konsequenter vollziehen, betonte er.
Die nächste Veranstaltung der FDP Seniorinnen und Senioren findet am 21. August statt: Besuch am Hauptsitz der Swissgrid, Eigentümerin des schweizerischen Übertragungsnetzes, in Aarau.
Interessante Beiträge am Infoanlass von Karl Graf, Manuela Obrist und Heinz Meier (v.l.n.r.).