Geld wird auch im Grossen Rat mit vollen Händen verteilt
Nach dem schwarzen Sonntag mit dem JA zur 13. AHV-Rente, dem NEIN zur Renteninitiative und acht Sitzverlusten der FDP in den Kantonsparlamenten von Uri (-4), Schwyz (-1) und St. Gallen (-3) startete die FDP-Fraktion etwas frustriert in die erste Grossratssitzung nach der Winterpause. Dass dann auch in Aarau das Geld mit vollen Händen ausgegeben wurde, war der Stimmung ebenfalls nicht dienlich. Aber wahrscheinlich trifft es den Zeitgeist, dass man die hohle Hand macht, anstatt denen die Hand zu reichen, die dann am Ende die Rechnung für alle zu berappen haben.
Am Wochenende waren die Rentnerinnen und Rentner dran, sich auf Kosten der jungen Generation eine dreizehnte Rente zu gönnen, obwohl es der Generation der Baby Boomer besser geht als allen Generationen vor ihnen. Am Dienstag konnten sich dann die Landwirte zufrieden die Hände reiben. Es ging um die Enteignung von landwirtschaftlichem Kulturland, das gebraucht wird, um Strassen zu bauen oder Gewässer zu revitalisieren.
Keine Frage: Enteignungen sind unschön gerade für uns Liberale. Aber gelegentlich sind sie notwendig, um wichtige Infrastruktur- oder Umweltprojekte zu fördern. Die Frage war nun, wie hoch die Entschädigung für eine Enteignung sein soll. Der Regierungsrat beantragte den doppelten Schätzwert als Entschädigung, der Rat sprach sich letztlich sogar für eine Verdreifachung aus! Hauptargument: die Entschädigungen sollen mit jenen der Nachbarkantone harmonisiert werden, um die Verfahren zu vereinfachen.
Was mit dieser "Harmonisierung" einfacher werden soll, erschliesst sich mir nicht wirklich. Letztlich wird Geld von einer Drittpartei überwiesen. Der Buchungsprozess wird also nicht durch die Höhe der Entschädigung beeinflusst. Würden wir dieses Argument auch auf andere Bereiche anwenden, könnten wir ja auch die Steuern im Aargau auf das Zuger-Niveau senken, dann wäre diese auch "harmonisiert". Sie merken es: ich bin ziemlich konsterniert. Die SVP hat in dieser Debatte ihr gesamtes finanzpolitische Gewissen über Bord geworfen – es ging ja schliesslich um die Landwirtschaft!
Die Frage sei nun erlaubt, wer denn neben Rentnerinnen, Rentnern und Landwirten als nächstes an der Reihe ist. Vermutlich sind es Familien. Im Juni stimmen wir nämlich über die Prämienverbilligungsinitiative ab und können da die Verteilung von fremdem Geld fortsetzen.
Die FDP-Fraktion steckt den Kopf nicht in den Sand, sondern im Gegenteil, diese ungedeckten Checks an immer mehr Anspruchsgruppen spornen uns zusätzlich an. Wir werden uns weiterhin für die Einhaltung des Generationenvertrags einsetzen, gegen die Schröpfung des Mittelstands ankämpfen und konsequent für liberale Werte einstehen. Damit wollen wir bei den Aargauer Parlamentswahlen zulegen.
Danke, wenn Sie uns tatkräftig dabei unterstützen.
Lenzburg und Windisch sollen eine Mittelschule erhalten
Der Grosse Rat genehmigte in erster Lesung eine Änderung im Schulgesetz, wonach neu Lenzburg und Windisch ebenfalls Standorte für Mittelschulen sein sollen. Im Planungsbericht "Aargauer Mittelschulen: Entwicklungsstrategie 2045" aus dem Jahr 2019 rechnete der Regierungsrat noch mit einem zusätzlichen Standort. Die FDP-Fraktion hat sich vergebens im Rat dafür eingesetzt, dass einerseits die gymnasiale Maturitätsquote nicht ansteigen soll und andererseits eine gestaffelte Realisierung anzustreben sei.
Nur knapp vier Jahre liegen zwischen der Entwicklungsstrategie 2045 und der Botschaft zur Festsetzung von zwei Mittelschulstandorten im Aargauer Schulgesetz. In der Zwischenzeit korrigierte der Regierungsrat seine Schülerprognosen: Er geht aufgrund des Bevölkerungswachstums und einem Anstieg der gymnasialen Maturitätsquote davon aus, dass nicht nur ein neuer Standort, sondern zwei neue Standorte im Mittelland gebaut werden müssen.
Grosser Rat will Staffelung des Ausbaus und Maturitätsquote nicht prüfen
Die FDP-Fraktion hat der Festsetzung beider Standorte im Gesetz zugestimmt, dem Regierungsrat allerdings gleichzeitig vorgerechnet, dass in den verschiedenen Ausbauvarianten genügend Reserven enthalten sind, um vorerst nur einen neuen Standort – Lenzburg oder Windisch – realisieren zu müssen. Die FDP-Fraktion stellte deshalb einen Prüfungsantrag, mit welchem der Regierungsrat für die zweite Beratung hätte aufzeigen müssen, welche Auswirkungen eine Staffelung hätte. Dieser Prüfungsantrag wurde aber durch den Grossen Rat abgeschmettert.
Der Kanton Aargau hat heute eine gymnasiale Maturitätsquote von 17 bis 18 Prozent. Der Regierungsrat geht davon aus, dass diese in den nächsten Jahren auf rund 21 Prozent ansteigen dürfte. Für die FDP-Fraktion ist eine der tiefsten gymnasialen Maturitätsquoten allerdings eine Qualität und kein Makel. Die Reserven in den Ausbauvarianten wären noch grösser, wenn wir Massnahmen ergreifen würden, dass diese gymnasiale Maturitätsquote nicht ansteigen würde. Leider wurde ein entsprechender Prüfungsantrag unsererseits ebenfalls abgelehnt.
Angesichts der Tatsache, dass der Regierungsrat über die kommenden rund 15 Jahre über 600 Millionen Franken in den Ausbau der Gymnasien stecken will, wäre es angebracht gewesen, wenn sich der Grosse Rat über diese Strategie nochmals Gedanken gemacht hätte. Denn 600 Millionen Franken Investitionen bedeuten jährliche Abschreibungen von 17 Millionen Franken in der Rechnung. Die FDP setzt sich dafür ein, dass Geld in die Köpfe und nicht kopflos in Beton gesteckt wird. Das sieht die Mehrheit des Grossen Rats leider anders.
Bäuerliches Bodenrecht: FDP als einsame Ruferin in der Wüste
Adrian Meier, Grossrat, Ressortleiter Umwelt, Bau, Verkehr, Energie und Raumordnung, Menziken adrian.meier@grossrat.ag.ch
Bauern setzen Maximalforderungen durch
Auf eidgenössischer Ebene wurde per 01.01.2021 das Enteignungsrecht dahingehend angepasst, dass bei einer Enteignung von Land, welches dem bäuerlichen Bodenrecht (BGBB) unterliegt, eine dreifache Entschädigung bezahlt wird. Klar, forderten die Aargauer Bauern nun dasselbe. Die FDP-Fraktion bekämpfte diese Anpassung im Baugesetz in erster Beratung mit Vehemenz – leider erfolglos.
Die Vorlage des Regierungsrates beruht auf einen überwiesenen Vorstoss des Grossen Rates. Der Regierungsrat erachtete in seiner Botschaft eine doppelte Entschädigung als "massvolle" Erhöhung. In der vorberatenden Kommissionssitzung wünschte jedoch eine Mehrheit gar eine dreifache Entschädigung, so wie es der Bund ebenfalls tut.
"Volle Entschädigung" heisst für Aargauer Bauern "Dreifache Entschädigung"
Die FDP-Fraktion sieht bei der einseitigen Bevorzugung die Aargauer Verfassung missachtet. § 21 Abs. 4 lit. m 'Eigentumsgarantie' unserer Kantonsverfassung hält fest, dass bei Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, die volle Entschädigung zu leisten sei. Voll heisst 100 Prozent weder 50 Prozent noch 200 Prozent oder gar 300 Prozent.
Einseitige Bevorzugung ist finanz- und ordnungspolitisch höchst bedenklich
Im Rat plädierten wir deshalb auf Nichteintreten. Nach einer teilweise emotional geführten Debatte trat der Grosse Rat jedoch deutlich mit 100 zu 29 Stimmen auf das Geschäft ein. Neben uns Freisinnigen half einzig die GLP mit. Die Bauernlobby bestehend aus SVP und Mitte haben bei den Linken Verbündete gefunden, da nun beispielsweise Strassenprojekte teurer werden. In der Detailberatung obsiegte der Antrag für die dreifache Entschädigung mit 88 zu 36 Stimmen.
Mit Verve vertraten neben mir auch Jeanine Glarner und Lukas Pfisterer die Meinung, dass gegen unsere Kantonsverfassung verstossen wird. Das führte zu einem Antrag an den Regierungsrat, im Hinblick auf die zweite Beratung zu prüfen, wie bei Enteignungen nicht nur die Landwirte von dieser Bevorzugung profieren dürfen. Der Antrag winkte der Rat einstimmig durch. Wir sind nun auf die Ausführungen des Regierungsrates im Hinblick auf die zweite Beratung gespannt und verfolgen diese einseitige Bevorzugung des Bauernstandes weiterhin mit Argusaugen.
Rolle des Parlaments in besonderen Lagen neu regeln
Bericht über gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Bereich Notrecht genehmigt – Arbeit fängt aber erst an
Mit dem Beginn der Corona-Pandemie stand unser Leben still. Der Regierungsrat versuchte mit Sonderverordnungen die besondere Lage zu meisten. Diese Verordnungen können bis zu zwei Jahre lang gelten. Der Regierungsrat nutzte diese Kompetenz meist gut. Es gab jedoch auch "Ausreisser", beispielsweise als der Regierungsrat der Polizei im Aargau die Videoüberwachung des öffentlichen Raums in Echtzeit erlaubte. Erst auf Druck der Parteien hin, auch der FDP, widerrief der Regierungsrat diese Erlaubnis. Mehr als politischen Druck konnte der Grosse Rat allerdings nicht ausüben.
Daneben musste der Regierungsrat auch finanzielle Unterstützungspakete sprechen. So beantragte er beim Grossen Rat zu Beginn ein Paket von 300 Millionen Franken. Der Grosse Rat gab 150 Millionen frei. Wie sich zeigte, reichte dies aus. Dieser Einbezug des Grossen Rates war gesetzlich vorgeschrieben. Für weitere Informationen zur Lage war der Grosse Rat jedoch auf den freiwilligen Einbezug durch den Regierungsrat angewiesen.
FDP-Vorstoss verlangte Anpassung des Notrechts
Gestützt auf diese Ausgangslage verlangte ein Vorstoss der FDP-Fraktion (Sprecher Herbert H. Scholl, Zofingen) am 12. Mai 2020 vom Regierungsrat einen Bericht über die Prüfung des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs im Bereich Notrecht. Der Regierungsrat legte dem Grossen Rat diesen Bericht nun vor. Er kam zum Schluss: Kein Handlungsbedarf, alles gut.
Fraktionen sind sich einig: Es besteht Handlungsbedarf
Keine Fraktion im Grossen Rat teilte diese Meinung, allen voran die Freisinnigen. Denn es kann nicht angehen, dass der Grosse Rat in besonderen Lagen auf die Freiwilligkeit des Regierungsrats angewiesen ist. Der Regierungsrat muss zwar weiterhin rasch handeln können. Der Grosse Rat muss aber auch in der besonderen Lage mitwirken können, sei dies beispielsweise durch ein Verordnungsreferendum oder eine Verpflichtung des Regierungsrats zur regelmässigen Berichterstattung, analog der Vollmachtenkommissionen im Zweiten Weltkrieg.
Parlamentarische Initiative wird vorbereitet
Unser Vorstoss hatte vom Regierungsrat einen Bericht verlangt. Der Regierungsrat hat diesen erstattet. Der Vorstoss konnte abgeschrieben werden. Das war jedoch nicht das letzte Wort: Unter Führung der FDP wird aktuell in einer Subkommission der Kommission für Aufgabenplanung und Finanzen (KAPF) eine parlamentarische Initiative zur Stärkung der Mitwirkungsinstrumente des Grossen Rats ausgearbeitet – in der Hoffnung, dass sie nie greifen müssen.
Nächster Anlass FDP Aargau: Parteitag 24/2 am 26. März 2024
Traktanden 1. Begrüssung 2. Vorstellung Volksinitiative JF Aargau: "Blitzerabzocke stoppen!" 3. Parolenfassung Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien ("Mantelerlass") 4. Parolenfassung 6-Spur-Ausbau A1 5. Ausblick Grossratswahlen 2024 6. Nomination Regierungsratswahlen 2024 7. Varia Im Anschluss sind die Teilnehmenden herzlich zu einem Apéro eingeladen.
Ratsgeflüster Neben- und Mitgeräusche der letzten Grossratssitzung
Silvan Hilfiker, Fraktionspräsident der FDP, durfte am Dienstag zahlreiche Gratulationen von Ratskolleginnen und -kollegen entgegen nehmen. Der Grund: Am Montag hatte ihn die Hypothekarbank Lenzburg als neuen CEO vorgestellt. Für den neuen HBL-Chef, der in seiner Laufbahn auch bereits für die Aargauische Kantonalbank und die Neue Aargauer Bank tätig war, führt der Weg nun auch beruflich wieder in den Aargau. Darüber darf sich sein neuer Arbeitgeber ebenso freuen wie der Wirtschaftsstandort Aargau als Ganzes. Mit seinem grossen wirtschaftspolitischen Know-how hat er in der Vergangenheit wichtige Akzente gesetzt, namentlich bei den letzten Steuergesetzrevisionen und der kantonalen Steuerstrategie. Ein engagierter und innovativer Macher mit politischem Rucksack an der Spitze der "Hypi", einer wirtschaftlichen Institution im Aargau: Das freut die Verfechter eines starken, liberal geprägten Wirtschaftsstandorts Aargau ganz besonders.
Für heftige Diskussionen im Rat sorgte die Änderung des Baugesetzes, wonach Besitzer von Landwirtschaftsland künftig im Fall einer Enteignung nicht die volle Entschädigung und auch nicht die doppelte (wie vom Bund empfohlen), sondern eine dreifache Entschädigung erhalten. FDP-Sprecher Adrian Meier empfahl ein Nichteintreten mit dem Vergleich, dass er am Münchner Oktoberfest bei der Bestellung einer Mass Bier einen Liter Bier erhalte (oder sogar etwas weniger wegen der grossen Schaumkrone) und nicht etwa deren drei. Fraktionskollegin Jeanine Glarner setzte den kulinarischen Exkurs fort und rief an die Adresse der Bauern, dass sie alles wollten: Den Fünfer, das Weggli und auch noch das Schoggistängeli. Das widerspreche überdies der Kantonsverfassung, für deren Einhaltung die Vizepräsidentin der FDP-Fraktion appellierte. Diese Bemerkung wiederum echauffierte SVP-Grossrat Hansjörg Erne, selbst Landwirt, dermassen, dass er ein Exemplar ebendieser Verfassung durch den Saal in Richtung Rednerpult warf. Eine Wertschätzung des höchsten Aargauer Regelwerks sieht eher anders aus. Immerhin, getroffen wurde davon niemand – anders als bei den beidseits zahlreich abgefeuerten verbalen Giftpfeilen.
Was im Bundesparlament längst Gewohnheit ist, manifestierte sich am Dienstag auch im Grossen Rat: Die Bauern setzten sich mit ihrer Forderung nach einer dreifachen Entschädigung deutlich durch, die Warnrufe aus der FDP-Fraktion verhallten – auch die sonst so auf moderate Staatsausgaben bedachte SVP-Fraktion schlug die Bedenken in den Wind. Nach der Mittagspause erschienen einige SVP-Vertreter, darunter Bauernverbandspräsident Christoph Hagenbuch und Weinbauer/-geniesser Pascal Furer, zur spät zur Sitzung. Letzter feixte in Richtung der freisinnigen Fraktion, er und seine Fraktionskollegen hätten eben heute zum Mittagessen die dreifache Menge Wein trinken müssen.