Am letzten Dienstag musste sich der Grosse Rat mit einigen wichtigen Themen befassen. Einerseits ging es darum, das Budget 2024 zu verabschieden und andererseits beschäftigten wir uns mit der Neuauflage des Energiegesetzes. An diesem Tag musste ich allerdings einige Male meinen Kopf schütteln…
Die Debatte zum Energiegesetz dauerte etwa zwei Stunden und teilweise kam die Beratung – einmal mehr – einer Kommissionssitzung gleich. Es wurden einige Änderungs- und Prüfaufträge gestellt, die in der Kommission noch nicht beraten worden waren. Offenbar wachen einzelne Grossrätinnen und Grossräte erst bei der Debatte im Plenum auf, anstatt die Verantwortlichen der Geschäfte frühzeitig mit den teilweise guten Ideen anzugehen. Die erste Vizepräsidentin des Grossen Rates (Miriam Kosch, Grüne) kam dann belustigt auf mich zu und fragte, wann ich mein obligates Statement abgeben würde, dass wir hier einmal mehr im Rat eine Kommissionssitzung abhalten. Ich wollte mich dieses Mal zurückhalten, gegen Ende der Beratung reichte es mir aber langsam.
Für uns überraschend stimmte die Mitte dem Streichungsantrag des Paragraphen 9a (siehe auch Artikel zum Energiegesetz in diesem INSIDE) zu – versehentlich, wie sich später herausstellte. Den Hut "lüpfte" es mir dann, weil die Mitte am Ende der Beratung erfolgreich einen Rückkommensantrag stellte, damit der Rat nochmals über diesen Paragraphen abstimmen konnte. Grund: Der Fraktionssprecher der Mitte hatte falsch abgestimmt (aus FDP-Sicht aber richtig!) und seine Fraktion war ihm blindlings gefolgt.
Aus meiner Sicht braucht es mehr Ernsthaftigkeit und Konzentration, wenn wir ein wichtiges Gesetz beraten, das die gesamte Aargauer Bevölkerung betrifft – Mitdenken ist kein Verbrechen! Vielleicht stellen wir das nächste Mal, wenn Leute von der Ratslinken den Saal verlassen, auch einen Rückkommensantrag, um unsere Interessen durchzusetzen.
Ebenfalls wenig Freude bereitete mir das Budget 2024 mit einem Defizit von 230 Millionen, das wir über die Reservekasse ausgleichen müssen. Das Budget wurde in der Kommission einstimmig genehmigt. Im Rat sah es dann anders aus. Wir konnten das Budget zwar um wenige 100’000 Franken entlasten, dennoch wurde es von der SVP abgelehnt. Ich fragte mich, was nun wieder los sei. Die Kommission stimmt ohne Gegenstimme zu, das Budget fällt nach der Plenumsberatung aus bürgerlicher Sicht noch leicht besser aus und die SVP lehnt es am Ende ab.
Notabene stellt die SVP zwei Regierungsräte, die mit ihren Departementen über die Hälfte des gesamten Kantonsbudgets verantworten. Offenbar stellt die SVP Profilierungssucht über die Vernunft. Sie wollen demonstrieren, dass sie die einzige Partei ist, die bereit ist zu sparen und die Kantonsfinanzen im Griff zu behalten. Sie kann das mit gutem Gewissen tun, denn sie weiss, dass das Budget auch ohne ihre Zustimmung verabschiedet wird. Mir stellte sich noch die Frage, ob ohne Budget die Direktzahlungen der Landwirtschaft weiter ausbezahlt werden könnten. Denn ohne Budget darf der Kanton eigentlich nur die absolut notwendigen Ausgaben tätigen. Die Frage bleibt offen.
Auch wenn diese Grossratssitzung durchzogen verlief, freue ich mich auf die nächste und darauf, das Jahr positiv abzuschliessen.
Tiefrotes Budget bewilligt
Dr. Bernhard Scholl, Grossrat, Ressortleiter Aufgabenplanung und Finanzen, Möhlin
Die Kantonsfinanzen stehen vor strukturellen Herausforderungen
Der Grosse Rat hat das Budget 2024 mit einem Verlust von fast 230 Millionen Franken bewilligt. Die SVP-Fraktion hat das Budget abgelehnt. Für die FDP war das keine Option. Ohne bewilligtes Budget wird der Kanton handlungsunfähig.
Während der Debatte am letzten Dienstag hat die vereinigte Linke inkl. die Mitte sogar noch Mehrausgaben von 1,124 Millionen Franken draufgeladen. Die Anhebung des Verpflegungs- und Taschengelds um 50 Rappen pro Person und Tag für Asylsuchende (Kategorie N), vorläufig aufgenommene Personen (Kategorie F) und Schutzsuchende (Status S) wurde durchgesetzt. Die Teuerung betrifft alle Bürger und Bürgerinnen. Sie belasten das Haushaltsbudget vieler Familien oder Pensionierten Menschen stark. Unsere FDP-Fraktionskollegin Karin Faes hat in ihrem Votum eindrücklich nachgewiesen, dass im Asylwesen die höheren Kosten betreffend Wohnen, Heizung, Strom und Wasser etc. vom Kanton übernommen werden. Für die Asylsuchenden bleibt die Teuerung der Lebensmittel, Kleider etc. Aber Fakten zählen offenbar wenig, wenn es nicht ins Parteiprogramm passt.
SP und Grüne verlangten für Staatspersonal und die Lehrpersonen sogar noch eine Lohnerhöhung von 3.8 Prozent. Immerhin konnte dies noch vermieden werden. Der Rat ist der Mehrheit der Kommission KAPF gefolgt und hat 2.2 Prozent beschlossen. Dies auf der Basis der durchschnittlichen Jahresteuerung 2023 in der Schweiz.
Korrekturmassnahmen notwendig
Fazit: Wir haben ein Budget, aber so kann es definitiv nicht weitergehen. Die Ausgleichsreserve von noch rund 600 Millionen Franken wird noch in den Planjahren ab 2026-27 aufgebraucht sein. Die Steuereinnahmen fliessen zwar besser als prognostiziert, aber Sorgen macht uns auch weiterhin der tiefe Ressourcenindex. Das schlägt sich im Nationalen Finanzausgleich nieder: Wir sind weit entfernt von 100 Prozent. Und nicht zuletzt: Ein Dauerärgernis ist und bleibt die hohe Staatsquote.
Der Stellenplan wächst um über 100 Stellen (+2.2 Prozent). Vieles ist durch gesetzliche Vorgaben bestimmt. Aber es fehlt uns die Einsicht, dass der Staat auch gewisse Aufgaben und Tätigkeiten überdenken könnte. Dies suchen wir vergeblich in der Aufgaben- und Finanzplanung.
So drohen uns wieder Sparbudgets!
Energiegesetz: Quo vadis SVP?
Adrian Meier, Grossrat, Ressortleiter Umwelt, Bau, Verkehr, Energie und Raumordnung, Menziken
Gemischte Gefühle in der FDP-Fraktion nach der ersten Lesung
Die FDP-Fraktion anerkennte den Willen des Regierungsrates, eine abgespeckte Version des Energiegesetzes vor den Grossen Rat zu bringen. So beinhaltet die Vorlage beispielsweise keine Pflicht zur Eigenstromproduktion bei Neubauten mehr. Bei der ersten Lesung im Grossen Rat fanden im Hinblick auf die Zweitberatung nicht weniger als neun Prüfungsanträge eine Mehrheit. Das gibt für die zweite und somit finale Beratung nochmals zusätzlichen Diskussionsstoff.
Die Beratung im Rat dauerte mehr als zwei Stunden. In der Eintretensdebatte zeigte sich keine Fraktion richtig zufrieden. Links-grün ging die Vorlage zu wenig weit, die SVP will einfach gar nichts.
Neuauflage nach Scheitern des Energiegesetzes 2020
Der Regierungsrat legte dem Grossen Rat nach der verlorenen Abstimmung vor drei Jahren eine neue Version vor, in der die damals umstrittenen Punkte gestrichen worden sind. Für die FDP-Fraktion ein gangbarer Kompromiss, auch wenn nach wie vor einige Punkte wie beispielsweise die diversen Meldepflichten, die Verpflichtung zur Gebäudeautomation sowie Betriebsoptimierung kritisch angesehen werden. In der Ratsdebatte wurden jedoch die Streichungsanträge abgelehnt.
Wie weiter?
Die Schlussabstimmung der ersten Beratung zur Änderung des Energiegesetzes fand mit 79 zu 54 Stimmen eine Mehrheit. Die Nein-Stimmen kamen von der SVP- sowie der Grünen-Fraktion. Der Regierungsrat wird für die zweite Beratung die neun Prüfungsanträge abarbeiten und nimmt unter Umständen Änderungen vor. Das Dilemma bleibt bestehen: Die Vorlage ist durch eine mögliche unheilige Allianz der SVP gemeinsam mit Links-Grün nach wie vor absturzgefährdet. Aus freisinniger Sicht ist jedoch das Verhalten der SVP nicht nachvollziehbar, da nun ein schlankes, aber nicht minder effektives Energiegesetz durchkommen könnte. Was will die SVP? Möglicherweise ein Scheitern riskieren und damit das Szenario ermöglichen, dass bei einer weiteren Neuauflage aufgrund der grösstenteils links stimmenden Mitte-Fraktion ein links-grünes Energiegesetz entsteht? Affaire à suivre.
Statistikgesetz: Ein wurmstichiger Apfel?
Dr. Bernhard Scholl, Grossrat, Ressortleiter Aufgabenplanung und Finanzen, Möhlin
Grosser Rat verabschiedet neues Gesetz in zweiter Lesung
Der Wurm war und bleibt drin im Statistikgesetz. Für die Anhörung wurde eine falsche Synopse mitgeliefert. Laut Regierungsrat aber ohne negative Auswirkungen. Der Gesetzesentwurf zur ersten Beratung schloss die Gerichte im §12 Absatz 1 explizit von der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht bei der Datenerhebung aus.
Diese Ausnahme erfolgte zur Verdeutlichung der Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justiz, so wie es in der kantonalen Verfassung steht (§95 ff der Kantonsverfassung KV). Diese Ausnahmeregelung hat der Grosse Rat in der ersten Beratung verfassungswidrig und gegen die Stimmen der FDP-Fraktion gestrichen. Immerhin wurde dank FDP-Grossrat Titus Meier ein Prüfungsantrag überwiesen, mit dem eine Lösung gesucht werden sollte, um das durch den Grossen Rat geschaffene Dilemma zu lösen.
Uneinigkeit über die Mitwirkungspflicht der Gerichte
Nach langer Debatte wurde in der 2. Beratung folgendem Text (unterstrichen) äusserst knapp mit 67 zu 66 Stimmen zugestimmt: "Die öffentlichen Organe sind zur Auskunftserteilung und zur Mitwirkung verpflichtet. Die bei den Gerichten eingeholten Auskünfte dürfen nicht geeignet sein, die Unabhängigkeit der Justiz zu beeinträchtigen. Die Justizleitung ist vorgängig zu konsultieren."
Auch die neue Formulierung ist nicht verfassungskonform und hinterlässt Unklarheiten. Zitat aus der Botschaft zur zweiten Beratung: "Die richterliche Unabhängigkeit und die Selbstverwaltung der Gerichte werden direkt durch die Verfassung geschützt (§ 95 f KV). Gestützt darauf könnten die Gerichte die Auskunft und Mitwirkung im Einzelfall verweigern, sollte die Herausgabe der verlangten Daten die Unabhängigkeit der Justiz verletzen." Zitatende.
Frage: Wenn das so ist, wozu brauchen wir diesen Wischiwaschi-Artikel? Der Gesetzesentwurf zur ersten Beratung war glasklar. "Die Gerichte sind ausgenommen". Das wäre die beste Lösung gewesen. Aber hier war die FDP allein auf weiter Flur. Der Apfel bleibt wurmstichig.
Regelung betreffend Umgang mit Daten grundsätzlich sinnvoll
Die FDP hat zum Schluss die Notwendigkeit eines Statistikgesetzes anerkannt. Daten sind für Regierung und Verwaltung wichtig und entsprechende Erhebungen sind nötig. Ich habe aber noch einmal die Voraussetzungen für die Unterstützung betont, die wir schon bei der ersten Beratung erwähnt haben: effiziente Datenerhebung, kein unberechtigter Mehraufwand für Industrie, Wirtschaft und Banken. Zudem muss der Persönlichkeitsschutz ohne Ausnahme gewährleistet sein und eine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht darf nur äusserst zurückhaltend definiert werden.
Aktueller Vorstoss aus der FDP-Fraktion
Fragen zur Abstimmung über die 13. AHV-Rente und deren möglichen Folgen Interpellation von Grossrat Silvan Hilfiker, Jonen
Das Volk stimmt im 2024 über die 13. AHV-Rente ab. Bei einem Ja zu dieser Initiative werden in der Schweiz etwa 5 Milliarden Franken nach dem Giesskannenprinzip zusätzlich verteilt. In diesem Zusammenhang will ich vom Regierungsrat wissen, wie viele Personen im Alter über 65 Jahren Ergänzungsleistungen beziehen und wie sich ihre Vermögenssituation darstellt. Die Frage ist, ob die 13. AHV-Rente die richtigen Personen erreichen würde.
Ratsgeflüster Neben- und Mitgeräusche der letzten Grossratssitzung
Fast schon traditonell ist bei der Beratung des Aufgaben- und Finanzplans (AFP) im Aufgabenbereich 515 "Betreuung Asylsuchende" die Diskussion um eine Erhöhung des Verpflegungs- und Taschengelds für Asylsuchende, vorläufig aufgenommene Personen sowie Schutzsuchende. SP-Grossrat Jürg Knuchel setzte sich dabei – auch schon traditionellerweise – mit einem emotionalen Votum für eine Erhöhung ein. Soweit nichts Aussergewöhnliches, möchte man meinen. Aufhorchen liess die geneigten Zuhörer dabei höchstens die Bemerkung Knuchels, dass "die Teuerung für uns alle spürbar" sei. Ob für Asylsuchende im gleichen Ausmass wie für Chefarzt Knuchel mit einem Jahreseinkommen von mehreren hunderttausend Franken ist eine andere Frage, auf die in der Ratsdebatte nicht weiter eingegangen wurde.
Nach mehr als zwei Halbtagen intensiver Debatte um den AFP lehnte die SVP-Fraktion geschlossen sowohl das Budget 2024 wie auch die Planjahre 2025-27 ab. Sie seien mit der Entwicklung der Kantonsfinanzen nicht zufrieden, gab SVP-Sprecher Markus Lüthy zu Protokoll. Das ist das gute Recht der grössten Fraktion im Grossen Rat. Dennoch ist es bemerkenswert, da nach der Behandlung des AFP im Ratsplenum der Saldo im Vergleich zum Abschluss der Beratungen der Kommission für Aufgabenplanung und Finanzen (KAPF) um immerhin noch eine Million Franken verbessert wurde. Die KAPF, in der vier SVP-Grossratsmitglieder Einsitz nehmen, hatte Budget und Planjahren einstimmig zugestimmt. Ein Schelm, wer denkt, es ginge hier nur um populistische Profilierung gegenüber der Stimmbevölkerung.
In der ersten Beratung des neuen kantonalen Energiegesetzes wurde nach einem Votum von Gabi Lauper Richner (SP) das Sprichwort "Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach" sprichwörtlich zum geflügelten Wort der Nachmittagssitzung. Lauper Richner hielt fest, dass man nicht alles Verbindliche aus dem Gesetz streichen könne, ansonsten hätte man auch keinen Spatz mehr in der Hand, sondern höchstens noch eine Spatzenfeder. Ihr SP-Fraktionskollege Martin Brügger trieb diese Bildsprache noch weiter. Er sähe angesichts des ausgedünnten Gesetzes nicht mal mehr eine Feder, sondern nur noch Spatzendreck, so Brügger.
Zur zweifelhaften Gewohnheit ist es im Grossen Rat geworden, bei knappen Mehrheiten oder nach falschem Abstimmungsverhalten ein Rückkommen zu verlangen. So geschehen auch am letzten Dienstag. Die Mitte-Fraktion war beim Energiegesetz bei Paragraf 9a (Einführung eines Obligatoriums der Einrichtung von Gebäudeautomationen bei Neubauten) blindlings ihrem Sprecher Ralf Bucher gefolgt und hatte – gemeinsam mit FDP und SVP – der Streichung zugestimmt. Nur: Bucher hatte den falschen Knopf gedrückt. Reumütig beantragte er vor der Schlussabstimmung des Gesetzes ein Rückkommen, was wiederum FDP-Fraktionspräsident Silvan Hilfiker auf den Plan rief. Er stellte die Frage nach der Aussenwirkung solcher Manöver und rief zu mehr Konzentration bei der Beratung auf. Dem Antrag auf Rückkommen wurde zum Ärger der rechten Ratshälfte dennoch zugestimmt und anschliessend der schon gestrichene Paragraf 9a mit knapper Mehrheit wieder in das Gesetz aufgenommen. Weitere heisse Diskussionen zu Heizungen (nomen est omen), Gebäudeautomationen und anderen umstrittenen Punkten in der zweiten Beratung sind vorprogrammiert.