Seit den Nationalratswahlen sind fast drei Wochen vergangen. Bereits haben erste Sitzungen der neu formierten Bundeshausfraktionen stattgefunden. Wir im Grossen Rat werden derweil noch eine Weile damit beschäftigt sein, die zahlreichen als Wahlkampfvehikel eingereichten Vorstösse der vergangenen Monate abzuarbeiten. Zugleich warten bereits die nächsten Wahlen. In einem Jahr wählt der Aargau den Grossen Rat und den Regierungsrat neu. Als Fraktion werden wir deshalb auch in den kommenden Monaten besonders gefordert sein, unsere liberalen Positionen mit Nachdruck zu vertreten und vor allem an die Öffentlichkeit zu tragen.
Viel früher, nämlich bereits in zehn Tagen, wählt der Aargau die zweite Vertretung unseres Kantons im Ständerat. Aus Sicht der FDP Aargau können wir mit einer gewissen Gelassenheit auf diesen Urnengang blicken. Unser Kandidat Thierry Burkart ist bereits im ersten Wahlgang glorios und mit einem historischen Stimmenrekord wieder ins Stöckli eingezogen. Ein grosser Erfolg und ein starker Vertrauensbeweis des Aargaus für den Präsidenten der FDP Schweiz. Der zweite Wahlgang ist selbstverständlich dennoch sehr wichtig. Es ist ein Richtungsentscheid. Die Geschäftsleitung der FDP Aargau hat sich für die Unterstützung des SVP-Kandidaten Benjamin Giezendanner entschieden.
Dies vor allem aus drei Gründen:
Es soll eine klar bürgerliche Vertretung des Aargaus in der Kleinen Kammer gewährleistet sein, die berühmte "Ungeteilte Standesstimme".
Es kann nicht im Interesse der FDP sein, der Mitte-Partei noch mehr Einfluss in Bundesbern zu verschaffen. Zuweilen und leider immer häufiger ist es auch bei uns im Grossen Rat schwierig, bürgerliche Mehrheiten zu finden, da die Mitte-Fraktion sich eben oft links der Mitte positioniert. Kommt hinzu, dass hinsichtlich der Besetzung des Bundesrates die Fraktionsstärke im National- und Ständerat mitentscheidend ist. Hier liegen FDP und Mitte derzeit fast eben auf.
Wenn die Mitte den zweiten Ständeratssitz erobert, ist absehbar, dass die SVP als klar wählerstärkste Partei bei nächster Gelegenheit wieder Anspruch erheben wird auf einen Aargauer Sitz im Stöckli, wenn nötig auch auf Kosten der FDP.
Es wurde medial die Frage aufgeworfen, ob der SVP-Kandidat überhaupt die notwendige Zeit für das Ständeratsamt aufbringen kann. Als Freisinnige setzen wir auf Eigenverantwortung. Benjamin Giezendanner wird sich als Unternehmer so organisieren, dass er genügend Zeit für diese anspruchsvolle und zeitintensive Aufgabe aufbringen kann.
Deshalb mein Appell: Auch wenn keine FDP-Kandidatur im zweiten Wahlgang zur Wahl steht: Gehen Sie an die Urne und mobilisieren Sie auch Familie, Freunde und Bekannte für eine Stimmabgabe für Benjamin Giezendanner – für eine starke bürgerliche Aargauer Ständeratsdelegation in Bern.
Regionale Zusammenschlüsse von Abwasserreinigungsanlagen
Grosser Rat heisst Richtplananpassungen zu regionalen ARA gut
Der Grosse Rat genehmigte an seiner Sitzung vom 7. November 2023 die Standortfestsetzung von regionalen Abwasserreinigungsanlagen und ebnet damit den Weg für die Zusammenschlüsse von mehreren kleinen Anlagen zu grossen Abwasserreinigungsanlagen, welche dannzumal die Anforderungen an die Eliminierung von Mikroverunreinigungen auch in einer ökonomisch und betrieblich sinnvollen Grösse erfüllen können.
Abwasserreinigungsanlagen sind in der Geschichte des Umweltschutzes eine Erfolgsgeschichte. Seit den 1970er Jahren hat eine Konsolidierung von ursprünglich 94 auf 41 Anlagen im Kanton Aargau stattgefunden. Doch neue Herausforderungen an die Abwasserreinigung wie die Rückgewinnung von Phosphor aus dem Klärschlamm oder die Eliminierung von Mikroverunreinigungen mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe haben verschiedene Regionen dazu bewogen, die Abwasserreinigung neu zu denken.
Abschluss eines langen Prozesses
Nach jahrelangen Diskussionen und Vorbereitungen in den Regionen standen am Dienstag drei Richtplananpassungen für neue regionale Abwasserreinigungsanlagen zur Debatte. Der Zusammenschluss von mehreren kleinen zu einer grossen regionalen Anlage macht nicht nur aus ökologischen, sondern auch ökonomischen und betrieblichen Gründen Sinn.
So hat der Grosse Rat die Festsetzung der Standorte der ARA Region Klingnauer-Stausee mit Standort in Klingnau, der ARA Seetal mit Standort in Wildegg beschlossen und der Aufnahme in den Richtplan als Vororientierung der ARA Region Wynen-, Suhren- und Uerkental mit Standort Aarau zugestimmt.
Ausgleichsmassnahmen als umstrittener Punkt
Zu Diskussionen Anlass gab die Notwendigkeit von Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen nach dem Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz. Eine Mehrheit des Rats von SVP, FDP und Mitte ist der Auffassung, dass der enge Ermessensspielraum für die notwendigen Kompensationsleistungen zwingend ausgenützt werden müsse, dienen diese Infrastrukturanlagen doch per se dem Umwelt- und Naturschutz. Dieses politische Statement des Grossen Rats muss in den nachgelagerten Verfahren berücksichtigt werden, wenn es um die Definition der erforderlichen Massnahmen geht. Die Richtplananpassung wurde schliesslich von allen Fraktionen mit Ausnahme der Grünen gutgeheissen.
Holzförderartikel bleibt trotzt freisinnigem Widerstand im Gesetz
Das geltende Aargauer Waldgesetz, das aus dem Jahr 1998 stammt, wird einer Änderung unterzogen. Auslöser der Teilrevision sind die für die Einführung der Schutzwaldpflege notwendigen Anpassungen am Aargauer Waldgesetz und Walddekret sowie an der Aargauer Waldverordnung. Der Kanton muss den Schutzwald im Richtplan festsetzen, die für die Schutzwaldpflege notwendigen Rechtsgrundlagen schaffen und das Finanzierungsmodell festlegen.
Betroffen sind folgende Bereiche: Waldtypische Gefahren, Zonen für intensive Freizeitnutzungen im Wald, Ausgleich erheblicher Vorteile, Waldstrassenpläne, Waldentwicklungsplan, Mehrwertsteuer, Digitale Prozesse und Verfahrensbestimmungen und redaktionelle Anpassungen.
Parlament beschliesst unnötige und artfremde Giesskannensubvention
Zu diskutieren gab der unnötige § 26b zum Holzförderartikel, der aus freisinniger Sicht nicht in das Waldgesetz gehört. Mit diesem Artikel muss der Kanton den Baustoff Holz bevorzugen. Das bedeutet, dass der Kanton Holz auch als Energieträger priorisieren muss. Ein solcher Paragraf gehört einerseits sicher nicht in ein Waldgesetz (eher in ein Baugesetz) und öffnet andererseits einseitiger Giesskannensubvention Tür und Tor. Das entspricht nicht unseren liberalen Werten. Daher hat unsere FDP-Kollegin Jeanine Glarner bereits in der Kommissionsberatung Jeanine Glarner den Antrag gestellt, den Holzförderartikel komplett zu streichen. Bei der Abstimmung hatten wir Unterstützung von der Mehrheit der SVP-Fraktion, was leider nicht gereicht hat. Der Minderheitsantrag wurde mit 51 zu 77 Stimmen abgelehnt und der Holzförderartikel im Waldgesetz festgeschrieben.
In der Schlussabstimmung wurde das Gesetz mit 113 gegen 14 Stimmen gutgeheissen.
In unserer Sozialhilfe bestehen verheerende Fehlanreize. Es kann nicht sein, dass es sich mehr lohnt, vom Staat abhängig zu sein, als einer Arbeit nachzugehen. Es ist Zeit für einen Reformversuch. Der Grosse Rat hat diese Woche eine entsprechende Motion von mir behandelt und als Postulat überwiesen.
Trotz Arbeitskräftemangel explodieren die Sozialhilfekosten. Es bestehen Fehlanreize, welche den Bezug der Sozialhilfe teilweise attraktiver machen als das Nachgehen einer Arbeit.
Schreiende Ungerechtigkeiten
Am besten lässt sich dies anhand von zwei fiktiven Nachbarsfamilien darstellen. Die erste Familie bezieht umfangreiche Leistungen, die von der Gemeinde finanziert werden, wodurch sie über 70'000 Franken jährlich erhält. Im Gegensatz dazu arbeitet eine Mutter im Tieflohnsegment und kommt dennoch nicht in die Nähe des Einkommens der ersten Familie. Auf das sowieso schon tiefe Einkommen muss die alleinerziehende Mutter zudem noch Steuern bezahlen und finanziert damit die Sozialhilfe der Nachbarsfamilie mit. Bei dieser schreienden Ungerechtigkeit ist es also kein Wunder, wenn sich die alleinerziehende Mutter fragt, ob sich das Arbeiten überhaupt noch lohnt.
Es kann nicht sein, dass es Fälle gibt, in denen Personen im Tieflohnsegment alles geben, um über die Runden zu kommen, während andere Personen trotz fehlendem Arbeitswillen ein höheres Einkommen aus der Sozialhilfe beziehen können. In einem Vorstoss fordere ich deshalb, dass die Sozialhilfe nicht höher ausfallen darf, als das Einkommen aus den tieferen Lohnklassen. Dieses Lohnabstandsgebot schafft nicht nur Anreize, um einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, sondern fördert auch die Glaubwürdigkeit unseres Sozialhilfesystems. Wie sollte beispielsweise die alleinerziehende Mutter noch hinter dem Sozialstaat stehen können, wenn die Nachbarsfamilie ohne Erwerbstätigkeit mehr Einkommen generiert als sie selbst, die jeden Tag für ihr Einkommen krampfen muss?
Grosser Rat teilweise einverstanden
Während die Linke das Vorhaben von Anfang an ablehnte, wollte die Mitte dem Grundsatz "Arbeit soll sich lohnen" nur zustimmen, wenn der Vorschlag in eine weniger verbindliche Vorstossform umgewandelt wird. Auf diese Art und Weise kam der Vorstoss dann als Postulat mit 73 zu 58 Stimmen durch. Der Regierungsrat muss nun prüfen, wie ein solches Lohnabstandsgebot umgesetzt werden kann.
Aktueller Vorstoss aus der FDP-Fraktion
Stellvertretungen im Schulbereich Postulatvon Grossrat Silvan Hilfiker Ich fordere den Regierungsrat auf, in einem Bericht darzulegen, wie die heutige Stellvertretungsregelung bei Lehrpersonen geregelt ist und mit welchen Massnahmen diese unter Einbezug von Erfahrungen aus der Wirtschaft optimiert werden kann. Heute ist der Fokus meist auf die finanzielle Entschädigung der Vertretung gerichtet. In der Wirtschaft werden die Stellvertretungen von Personen mit unterschiedlichen Profilen wahrgenommen und häufig nicht entschädigt, sondern kompensiert. Diese Erfahrungen aus der Privatwirtschaft sind in die Überlegungen zur Stellvertretungsmöglichkeit bei Lehrpersonen einzubeziehen.
Ratsgeflüster Neben- und Mitgeräusche der letzten Grossratssitzung
Zu Beginn der ersten Grossratssitzung nach den eidgenössischen Wahlen 2023 durfte Grossratspräsident Lukas Pfisterer zwei Ratsmitgliedern zur Wahl in den Nationalrat gratulieren: Simona Brizzi (SP, Ennetbaden) und Christoph Riner (SVP, Zeihen). Ganz überraschend kam die Wahl der beiden nicht, hatten sie sich doch auf den Listen ihrer Parteien in aussichtsreicher Position befunden und waren im Vorfeld als mögliche Neo-Bundesparlamentarier gehandelt worden. Während es bei Christoph Riner letztlich eine klare Angelegenheit war und er sogar mehrere bisherige SVP-Nationalratsmitglieder überholte, war es bei Simona Brizzi ein Foto-Finish um den dritten SP-Sitz zwischen ihr und Grossratskollegin Colette Basler (Zeihen), das mit 33 Stimmen Unterschied zugunsten von Brizzi ausging. Die Gemeinde Zeihen konnte sich entsprechend "nur" über einen Nationalratssitz freuen. Auffällig ist, dass die beiden Neugewählten im Grossen Rat derzeit auf beiden Seiten des Saales denselben Platz einnehmen (jeweils in der zweithintersten Reihe ganz aussen). Ambitionierte Mitglieder der SVP- und SP-Fraktion sollten vielleicht versuchen, diese Plätez zu erben, offenbar dienen sie als Sprungbrett nach Bundesbern.
Ebenfalls knapp nicht gereicht in den Nationalrat hat es für FDP-Grossrat Adrian Schoop. Dafür durfte er im Grossen Rat einen Achtungserfolg erzielen. Seine Motion zur Beseitigung von Fehlanreizen in der Sozialhilfe wurde als Postulat an den Regierungsrat überwiesen. Landammann und Sozialdirektor Jean-Pierre Gallati (SVP) hatte sich vergeblich gegen diese Überweisung gewehrt, zugleich aber auch zu verstehen gegeben, dass aus Gründen der übergeordneten Gesetzgebung eine Überweisung als Postulat sinnvoller wäre als in Form einer Motion. Adrian Schoop wandelte den Vorstoss denn auch entsprechend um und erzielte prompt eine Mehrheit. Er konnte so auch verschmerzen, dass das verbindlichere Instrument der Motion nicht zum Tragen kam, zu dessen häufigerer Anwendung Grossratspräsident Lukas Pfisterer bei seiner Antrittsrede Anfang Jahr ermuntert hatte.
Gerade einmal 121 von 140 Ratsmitgliedern befanden sich bei der Präsenzerhebung nach der Mittagspause im Grossratssaal. Zahlreiche Ratsmitglieder verpassten die Sitzungseröffnung und mussten sich entsprechend auf der berüchtigten roten Liste beim 2. Vizepräsidenten Markus Gabriel (SVP) als verspätet eingetroffen eintragen. Tobias Hottiger (FDP), erster Redner an der Nachmittagssitzung, konnte sich einen entsprechenden Seitenhieb mit Blick auf die Warteschlange direkt vor dem Rednerpult nicht verkneifen und eröffnete sein Votum mit den Worten "Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Regierungsrat, geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Saal und in der Reihe".
Heftig diskutiert wurde eine Richtplananpassung, die Zusammenlegungen von Abwasserreinigungsanlagen vorsieht. Dieser Umstand an und für sich war unbestritten, im Gegensatz zu den gemäss Bundesamt für Umwelt (BAFU) dafür verlangten ökologischen Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen im Fall der ARA-Region Seetal mit Standort Möriken-Wildegg. Jeanine Glarner, FDP-Grossrätin und Gemeindeammann der Standortgemeinde Möriken-Wildegg, kritisierte die vorgesehene mehrfache Kompensation eines Waldstückes für den Ausbau einer ökologischen Anlage als absurd und setzte sich für einen Minderheitsantrag der Fachkommission Umwelt, Bau und Verkehr ein, der diese Ausgleichsmassnahmen infrage stellt. SP-Grossrat Martin Brügger beurteilte dies anders: "Ich mache Ihnen schmackhaft, den Minderheitsantrag abzulehnen." Ein fürwahr spezieller vergleich, schmackhaft im Zusammenhang mit einer Kläranlage zu verwenden, wie auch FDP-Fraktionspräsident Silvan Hilfiker ausserhalb des Protokolls bemerkte. Für das Supplement in dieser bisweilen auch heiteren Debatte sorgte Pascal Furer (SVP), der festhielt, dass er zeitlebens immer im Bereich der ARA Wildegg gewohnt habe. Somit, so Furer wörtlich am Rednerpult "wurde jeder Seich, den ich abgelassen habe, dort gereinigt."
Ratsflüsterer
Ein Wiedersehen von Ehemaligen am früheren politischen "Tatort"
Die FDP-Seniorinnen und -Senioren besuchten den Grossen Rat
Für die meisten der rund 40 beteiligten FDP Seniorinnen und Senioren war der Besuch der jüngsten Grossratssitzung eine erstmalige Erfahrung – wogegen er für einige ehemalige Parlamentarierinnen und Parlamentarier eine Rückkehr an den früheren politischen "Tatort" bedeutete. Dieses Wiedersehen fädelte der Fricktaler Grossrat und ehemalige Grossratspräsident Bernhard Scholl ein. Er organisierte nicht nur den Parlamentsdienst für die Einführung in den Ratsbetrieb und eine Besichtigung des 1832 bezogenen Grossratsgebäudes, sondern auch den freisinnigen Ratspräsidenten Lukas Pfisterer und den Fraktionschef Silvan Hilfiker für Grussworte sowie die Staatsschreiberin Joana Filippi für einen Abstecher ins benachbarte Regierungsgebäude mit einem Einblick in das Sitzungszimmer des Regierungsrates.
Die präsentablen Regierungs- und Grossratsgebäude bilden mit der Kantonsbibliothek den sogenannten Regierungsbezirk. Aber die stark gewachsene Staatsverwaltung ist längst auf mehrere Standorte und Dutzende Liegenschaften verteilt. Keiner der fünf Regierungsräte residiert mehr im Regierungsgebäude, die Staatschreiberin ist die faktische Hausherrin.
Dass sich das Grossratsgebäude leicht erhöht gegenüber dem Regierungsgebäude erhebt, mag Zufall sein, doch falls es sein Initiant, der machtbewusste Johann Herzog von Effingen, bewusst so geplant haben sollte, hätte er damit der staatspolitischen Rangordnung subtil Ausdruck verliehen. Das Gebäude, als erster kantonaler Ratssaal der Schweiz im Halbrund erstellt, ist baulich nicht stark verändert, aber in jüngerer Zeit digital ausgerüstet worden.
Digitalisierung prägt den heutigen Ratsbetrieb
Die Digitalisierung war das Merkmal, das früheren Ratsmitgliedern beim Besuch besonders auffiel. Bis auf vier Personen hatten sämtliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier einen Laptop vor sich – und alle schienen damit beschäftigt. Die Ratsmitglieder sassen deswegen erstaunlich diszipliniert an ihren Plätzen, es wurde viel weniger zirkuliert und untereinander diskutiert und der Lärmpegel war unvergleichlich kleiner als einst. Apropos Disziplin: die Sitzung begann pünktlich und die Einhaltung der vorgegebenen Redezeiten wurde strikt angemahnt. Alte Hasen stellten zudem fest, dass es keine Stimmenzähler mehr gibt, es wird elektronisch abgestimmt. Und die Sitzplätze sind lockerer aufgereiht als einst – kein Wunder: der Grosse Rat wurde ja von 200 auf 140 Mitglieder verkleinert.
Andere "Szenerie" im Grossratssaal als früher
Die beiden Randsektoren im Halbrund werden wie einst von der SP (links) und der SVP (rechts) besetzt. Hingegen ist die alte CVP und heutige Mitte von der rechten auf die linke Saalhälfte gerückt und hat die FDP – die leider bedeutend weniger Platz als früher braucht – vom früheren Stammplatz verdrängt. Dem betagten journalistischen Beobachter entging auch nicht, dass die Pressetribünen, die er damals noch mit über einem halben Dutzend Medienleuten teilte, heute fast leer resp. nur noch von zwei Personen des offensichtlich deutlich verstärkten Parlamentsdienstes belegt werden.
An der "Regierungsbank" hat sich hingegen nichts geändert – ausser den Köpfen. Von der Zuschauertribüne aus musste man jedoch wie eh etwas über die Brüstung lehnen, um die fünf Magistraten – so sie vollzählig anwesend gewesen wären – zu beobachten. Das waren sie nicht, weil zumindest am Anfang einzig Geschäfte von Landammann Jean-Pierre Gallati (in der Mitte sitzend) und von Regierungsrat Dieter Egli (als Amtsjüngster ordnungshalber rechts aussen platziert) zur Debatte standen. Von oben herab gesehen, fiel auf, dass sich in die üblicherweise akurate Frisur des Innendirektors bereits einige Grautöne mischten. Ob das die Vorboten der umstrittenen Polizeireform mit der Verschmelzung der Kantons- und Regionalpolizeien sind?
Im Keller des Grossratsgebäudes, in dem einst das Staatsarchiv untergebracht war und letztes Jahr ein gediegenes Rats-Café entstand, wurden die FDP-Seniorinnen und Senioren zum Schluss des Besuchs vom Grossratspräsidenten Lukas Pfisterer (ganz links) und Fraktionschef Silvan Hilfiker (ganz rechts neben Ursula Brun Klemm, der Präsidentin der Senioren-Gruppe) zu einem Apéro begrüsst.