Diese Woche traf sich der Grosse Rat bei spätsommerlichen Höchsttemperaturen zum zweiten Mal nach der Sommerpause und setzte die Arbeit des zweiten Polithalbjahres mit frischer Energie fort. Ganz im Gegensatz zum Kanton, der nach Luft ächzt.
Vor einigen Wochen publizierte der Regierungsrat den Budgetvorschlag 2024 – eine ziemlich unerfreuliche Angelegenheit. Der Regierungsrat rechnet für das kommende Jahr mit einem Defizit von rund 135 Millionen Franken. Zieht man davon die eingerechnete Ausschüttung der SNB in der Höhe von 105 Millionen Franken ab - aufgrund der aktuellen Börsenlage ist diese Ausschüttung äusserst unwahrscheinlich - müssen wir sogar von einem Defizit von 240 Millionen Franken ausgehen! Glücklicherweise haben wir noch eine prall gefüllte Ausgleichsreserve, die aber so schnell schmilzt, wie der Schnee im Frühling. Aufgrund vieler gebundener Ausgaben können wir in der Budgetdebatte leider nur beschränkt Einfluss nehmen. Umso wichtiger ist daher die unterjährige Ausgabendisziplin. Getreu der liberalen Werte müssen wir uns immer wieder fragen: Ist ein neues Gesetz wirklich nötig und sollen gewisse Vorstösse mit Kostenfolgen nicht besser abgelehnt werden?
Machen wir das nicht, befindet sich der Kanton Aargau irgendwann in der Situation des "Boiling Frog". Das Syndrom des kochenden Frosches beschreibt den Umstand, dass wir uns, wenn sich unsere Lebensbedingungen allmählich verschlechtern, an diese Bedingungen anpassen, anstatt sie loszuwerden, bis wir nicht mehr stark genug sind, um ihnen zu entkommen. Zurück zum Frosch: Wenn Sie einen Frosch – in diesem Fall Sinnbild für den Kanton – in einen Topf mit lauwarmen Wasser geben (was sie nicht tun sollten) und dieses langsam erhitzen, merkt er es nicht und bleibt sitzen, bis er irgendwann stirbt. Wenn ein Frosch aber in einen Topf mit heissem Wasser springt, so springt er sofort wieder hinaus, weil er weiss, dass dies eine Bedrohung ist.
Ähnlich geht es dem Kanton: Die Wassertemperatur steigt, ohne dass wir etwas dagegen unternehmen. Viele neue, unsinnige Parlamentsbeschlüsse, die da und dort neue, kleinere Ausgaben bedeuten, erhöhen das Defizit langsam aber sicher auf 240 Millionen Franken.
Die Herausforderung im zweiten Halbjahr ist es deshalb, neben der sehnlichst erwarteten Gesundheitlichen Gesamtplanung und der Diskussion rund um eine Einheitspolizei, uns auf das wirklich Notwendige zu beschränken und Unsinn im Parlament zu verhindern.
Neues Fraktionsmitglied Martin Egloff folgt auf Bruno Gretener
Am letzten Dienstag erfolgte die Inpflichtnahme von Martin Egloff (Bild) aus Wettingen als Grossrat. Martin rückt für Bruno Gretener aus Mellingen nach, der aus dem Grossen Rat zurückgetreten ist. Der 58-jährige Architekt politisiert seit 2017 im Gemeinderat Wettingen und zeichnet sich für das Ressort Hochbau verantwortlich.
Ich heisse Martin herzlich in unseren Reihen willkommen und wünsche ihm in seiner Tätigkeit für das Wohl der Aargauer Bevölkerung viel Befriedigung, Erfolg und spannende Debatten.
Silvan Hilfiker, Fraktionspräsident
175 Jahre Bundesverfassung
Thierry Burkart, Ständerat, Präsident FDP Schweiz, Lengnau
Es braucht den Mut und die Zuversicht von 1848 auch heute noch
Am 12. September 1848 trat die erste moderne Bundesverfassung in Kraft. Es waren liberale Liberale und Radikale aus 23 Kantonen, die sich zusammentaten und dieses Meisterwerk innert nur 51 Tagen erarbeiteten. Sie schafften eine freisinnig geprägte Staatsordnung, die unser Land bis heute prägt und erfolgreich macht.
Die freisinnigen Vorväter haben mit Mut, Zuversicht und Fortschrittsglaube gehandelt. Diesen Geist von 1848 brauchen wir heute mehr denn je. Die FDP will das Erbe des 12. September 1848 in die Zukunft tragen und dafür kämpfen, dass das Erfolgsmodell Schweiz weiterhin Bestand hat. Unser Land braucht dringend eine Änderung der Prioritäten. Nur so ist es möglich, dass auch noch unsere Enkelkinder in Freiheit, Sicherheit und Wohlstand leben. Nur mit liberalen Lösungen bleibt die Schweiz stark. Die FDP kämpft für eine innovative Wirtschaft, die hohe Löhne ermöglicht. Wir setzen uns ein für eine zuverlässige Energieversorgung, die genügend bezahlbaren Strom liefert. Und wir stehen ein für eine nachhaltige Altersvorsorge, die sichere Renten ermöglicht.
Liberale Lösungen haben die Schweiz im 19. Jahrhundert stark gemacht. Wir Freisinnige sorgen dafür, dass dies auch in den nächsten 175 Jahren noch gilt.
Zum Videostatement von Thierry Burkart unten auf das Bild klicken ⇓
Mobilisierung für die National- und Ständeratswahlen vom 22. Oktober 2023
U.a. mit Ständerat Thierry Burkart, Nationalrat Matthias Jauslin, Nationalrätin Maja Riniker und den Kandidierenden der FDP-Hauptliste Gastreferent: Ludwig Hasler, Philosoph und Publizist
Kein unlimitiertes staatliches Vorkaufsrecht bei Liegenschaften
Zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, forderte die SP-Fraktion den Regierungsrat mit einem Vorstoss auf, die gesetzliche Grundlage für ein unlimitiertes Vorkaufsrecht der Gemeinden und des Kantons Aargau bei Handänderungen von Liegenschaften zu schaffen.
Das Anliegen fand bei der FDP-Fraktion keine Zustimmung. Einerseits fiel das Anliegen komplett durch den liberalen Elchtest, andererseits kann diese Forderung kaum vernünftig umgesetzt werden. Ein solches Recht würde Freiheitsrechte beschneiden, Regulierung aufbauen und unnötig in den Markt eingreifen. Der Gemeinderat verfügt zudem in der Regel nur über eine limitierte Kompetenzsumme, die auch noch variieren kann. Besitzt eine Gemeinde nun ausreichend Kapital, aber der Kaufpreis überschreitet die festgelegte Kompetenzsumme, ist sie sie verpflichtet, einen Antrag an die Gemeindeversammlung zu stellen. Diese findet in der Regel zweimal pro Jahr statt. Folglich kann dies zu einer Blockade führen, die sich über mehrere Monate erstreckt. Im schlimmsten Fall wird nach einem positiven Beschluss der Gemeindeversammlung auch noch ein Referendum gegen den Entscheid ergriffen, welches die Transaktion weiter verzögert. Der Immobilienmarkt käme praktisch zum Stillstand, da keine Transaktionen für den Kauf und Verkauf von Immobilien mehr stattfinden könnten.
Die SP-Fraktion hatte dann aber Angst vor einer Niederlage – es ist schliesslich Wahljahr - und zog die Motion vor der Abstimmung zurück.
Auch der SP-Vorstoss für einen Wohnbauförderungsfonds wird abgelehnt
In einer Motion wollte die SP die gesetzliche Grundlage für die Schaffung eines Wohnbauforderungsfond erwirken. Der Grosse Rat lehnte diesen kantonalen Eingriff in den Wohnungsmarkt mit 99 zu 36 Stimmen glücklicherweise ab. Der Rat folgte damit dem Argument des Regierungsrates, da es weder finanzielle Mittel dafür gibt, noch der Kanton die richtige Steuerungsebene für die Wohnbauförderung ist.
Die Knappheit und das Preisniveau des Wohnungsmarktes sind regional oder sogar pro Gemeinde sehr unterschiedlich. Die Treiber sind ebenfalls heterogen, so zum Beispiel das Bevölkerungswachstum, höhere Flächenanforderung oder Trend zu Single-Haushalten. Der Kanton kann nur schlecht den Überblick über den Wohnungsmarkt behalten, ohne dass dazu X neue Stellen geschaffen werden müssen. Den Gemeinden steht es hingegen frei, selbst Projekte zu realisieren oder als PPP-Projekte (z.B. mit Pensionskassen, Genossenschaften) anzustossen. Die Gemeinden haben den Überblick über die Wohnungssituation in ihrem Perimeter, wissen was/wo gehandelt wird, kennen die Miethöhe und die Bedürfnisse ihrer Bevölkerung. Wenn man mit Projektleitern spricht, sind Hindernisse wie steigende Regulierung und lange Prozesse das Problem, dass nicht mehr Wohnraum geschaffen wird. Hier hätten das Parlament einige Hebel in der Hand, eine Erleichterung zu erwirken, diese standen jedoch nicht zur Diskussion.
Studie zur politischen Neutralität an Mittelschulen
Eine Maturaarbeit, die an der Kantonsschule Baden im 2021 verfasst wurde, beschied den Mittelschulen ein strukturelles Problem mit der geforderten politischen Neutralität. Der Regierungsrat liess auf Verlangen des Grossen Rats hin eine wissenschaftliche Studie ausarbeiten, um den Vorwurf zu überprüfen. Die Ergebnisse wurden im Grossen Rat kontrovers diskutiert und unterschiedlich interpretiert.
Offensichtlich waren die Lehrpersonen der aargauischen Mittelschulen daran interessiert, den Vorwurf, sie würden die geforderte politische Neutralität im Unterricht verletzen, aus dem Weg zu räumen. Denn fast 60 Prozent der Lehrpersonen haben an der von SOTOMO durchgeführten Umfrage teilgenommen.
Die FDP hat kritisiert, dass der Regierungsrat nicht wissen wollte, wie das Resultat der Untersuchung pro Schule ausfällt. Das war nicht Bestandteil des Studienauftrags bzw. es wurde den Auftragnehmern explizit verboten, diese Unterscheidung vorzunehmen. Das ist doch ziemlich störend.
Es gab durchaus Schülerinnen und Schüler, die angegeben haben, sich aufgrund ihrer politischen Haltung benachteiligt zu fühlen. Die FDP ist der Auffassung, dass sich keine Schülerin und kein Schüler aufgrund der politischen Einstellung auf irgendeine Art benachteiligt fühlen darf. Störend ist für die FDP vielmehr aber die institutionelle Verletzung der politischen Neutralität von Schulen. Es darf nicht sein, dass Schulen für Demonstrationen schulfrei geben oder einseitige Podien oder Veranstaltungen an den staatlichen Schulen zulassen. Hier gibt es durchaus Nachholbedarf der Schulen zusammen mit den Lehrpersonen.
Strompreise und Dividendenausschüttung der AEW Postulat und Interpellation der FDP-Fraktion (Sprecher Norbert Stichert, Untersiggenthal) Die AEW Energie AG erhöht auf nächstes Jahr die Preise um 38%. Gleichzeitig ist eine Dividendenauszahlung von 39,2 Millionen Franken zugunsten der Staatskasse angekündigt. Diese Zahlen stossen bei den Bürgerinnen und Bürgern auf Unverständnis. Mittels eines Postulats und einer Interpellation fordert die FDP-Fraktion die Verwendung der Dividende zugunsten der Eigenstromproduktion für die Versorgungssicherheit.
"Freisinnige" Krankenkasse light – eine valable Alternative?" Postulat von Grossrat Yannick Berner, Aarau
In der Sommersession 2023 brachte die FDP auf nationaler Eben eine Motion ein, die durch ein "Budget"-Versicherungsmodell die Prämien des Mittelstands reduzieren soll. Dieses Modell wäre freiwillig und beinhaltet kostensenkende Massnahmen, wie höhere Franchisen, ein verpflichtendes ePatientendossier oder eine Generika-Pflicht. Angesichts der steigenden Prämien und dem Wunsch von 88% der Bevölkerung nach einem Systemwechsel wird die Regierung u.a. um eine Einschätzung dieses Modells gebeten.
Ratsgeflüster Neben- und Mitgeräusche der letzten Grossratssitzung
Eine grosse Lücke klaffte am Dienstagmorgen auf der Regierungsbank im Grossratssaal. Grossratspräsident Lukas Pfisterer klärte auf. Landammann Jean-Pierre Gallati und Landstatthalter Markus Dieth vertraten den Kanton Aargau an der gleichentags im Bundeshaus stattfindenden Feier zu 175 Jahren Bundesverfassung. Markus Dieth als Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) hielt sogar eine Rede vor der Vereinigten Bundesversammlung. Für einmal hatte ironischerweise also an diesem Jubiläumstag der 1848 nach dem Sonderbundskrieg verworfene Zentralismus Vorrang vor dem Föderalismus. Staatspolitische Sorgen muss man sich deswegen nicht machen, es blieb bei einem kurzen " Berner Intermezzo" der Regierungsdelegation. Für die Sitzung des Ratsbüros mit den Kommissionspräsidien am späteren Nachmittag war Landammann Gallati bereits wieder in Aarau. Tagesfazit: Die Bundesverfassung lebt und mit ihr der bis heute föderalistisch und liberal geprägte Bundesstaat.
Mit ernster Miene sprach Ratspräsident Pfisterer zum Sitzungsbeginn über den kürzlichen Anschlag auf die Liegenschaft des Buchser Gemeinderates Tony Süess, u.a. auch ehemaliger Wortprotokollführer des Grossen Rates. Er verurteilte im Namen der Ratsleitung derartiges Verhalten aufs Schärfste und wünschte dem Betroffenen und allen anderen Lokalpolitikerinnen und -politikern alles Gute, verbunden mit dem Dank für ihre wichtige Arbeit. Offensichtlich sprach der Präsident damit vielen Anwesenden aus dem Herzen; das Halbrund applaudierte spontan.
Mitte-Grossrat Harry "Hansdampf" Lütolf versuchte im Namen seiner Fraktion mit einem Ordnungsantrag die Behandlung eines Postulates eben dieser Fraktion zur CS-Übernahme durch die UBS zu vertagen. Es gäbe ja neue Erkenntnisse, die der Regierungsrat bei seiner Beantwortung noch aufnehmen könne. Er stand damit auf verlorenem Posten: Ausser der Mitte-Fraktion lehnte der Rat den Antrag geschlossen ab. Als der Vorstoss wie vorgesehen zur Behandlung kam, sorgte Fraktionssprecher Lütolf mit der einleitenden Bemerkung für Erheiterung, dass er eigentlich dringend zur Toilette müsse, sein Votum aber ohne Zwischenfall überstehen würde. So dringend schien die Angelegenheit dann auch nicht zu sein: Lütolf sprach fast drei Minuten, zog das Postulat schliesslich zurück und ging seelenruhig zurück zu seinem Platz. Erst auf Hinweis von Fraktionskollegen verliess er schliesslich den Saal, um das stille Örtchen aufzusuchen. Man kann sich fragen, ob es nicht effizienter und allgemeinverträglicher gewesen wäre, wenn er sein Votum gleich dort gehalten hätte.
Jonas Fricker, Grossrat und Nationalratskandidat der Grünen, ist nicht gerade hinlänglich bekannt für bürgerlich-liberale Politik. Als er an der Nachmittagssitzung plötzlich einen grossen Aufkleber mit der Aufschrift "Jetzt FDP wählen" aufhielt, sorgte dies entsprechend für allgemeine Erheiterung, natürlich vor allem in den Rängen der freisinnigen Fraktion. FDP-Parteipräsidentin Sabina Freiermuth eilte umgehend zu Frickers Platz, um die Szene mit ihrem Handy auch bildlich festzuhalten. Bei aller Ernsthaftigkeit von Politik und Wahlkampf: so viel Lockerheit und Spass muss sein.