Liberale Ansätze für eine wettbewerbsfähige Volksschule
Liebe Freisinnige
Wir sind besorgt über die Zukunftsfähigkeit der Aargauer Volksschule. Deshalb haben Jeanine Glarner, Titus Meier und ich die sitzungsarme Zeit Anfang Sommer genutzt und gemeinsam einen liberalen Standpunkt zur Aargauer Volksschule formuliert. Die darin enthaltenen Forderungen wollen wir mit sieben Vorstössen umsetzen.
Bildung ist einer der wichtigsten Rohstoffe unseres Landes und eine Grundvoraussetzung, damit der Aargau zum attraktivsten Wirtschaftsstandort der Schweiz aufsteigt. Gute Schulen stellen entscheidende Weichen und beeinflussen die Standortqualität wesentlich.
Rund 80'000 Schülerinnen und Schüler werden von über 10’000 Lehrpersonen in den Aargauer Volksschulen auf einen erfolgreichen beruflichen Einstieg vorbereitet. Seit längerem beklagen sich die Wirtschaft sowie die Berufs- und Mittelschulen aber über fehlende Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler nach dem Absolvieren der obligatorischen Schule. Oftmals verfügen sie nur über mangelnde sprachliche und mathematische Fähigkeiten. Diese Defizite aufzuarbeiten, führt zu grossem Aufwand in der Wirtschaft und in den Ausbildungsstätten.
Wir stellen drei Forderungen, damit die Wirtschaft in Zukunft über ausreichend gut ausgebildete Fachkräfte verfügt und wettbewerbsfähig bleibt: 1. Neue Denkansätze für eine zukunftsfähige Bildungspolitik
Es braucht neue Denkansätze in der Bildungspolitik, um zukunftsfähig zu sein. Schulwochen sind neu zu denken: Weniger dicht gedrängte Schultage steigern die Qualität der Grundbildung und verbessern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mit Pilotversuchen wollen wir dies in der Praxis testen. Für alle Oberstufenzüge ist eine Abschlussprüfung einzuführen, um die Zielerreichung zu überprüfen. Nur so kann die Versorgung der Wirtschaft mit gut ausgebildeten Fachkräften sichergestellt werden. Zur Verbesserung der Ausbildungsqualität ist die integrative Heilpädagogik als ressourcenintensive Schulungsform zu hinterfragen. Die Bildung von Hochbegabten und durchschnittlich Begabten darf nicht gegeneinander ausgespielt werden. 2. Unternehmerische Führung und demokratische Verantwortung der Volksschulen
Damit die Volkschule Aargau künftig zu den besten Schulen in der Schweiz zählt, sind unternehmerische Prinzipien und Führungsansätze zu definieren, die eine effiziente und effektive Führung der Schule sicherstellen. Es braucht eine strategische Ausrichtung anhand einer Vision und klarer Ziele zur Entwicklung der Volksschule. Wir wollen eine Schule, die gesellschaftlich akzeptiert ist und durch ihre Resultate überzeugt. 3. Abbau Bildungsbürokratie
Administrative Hürden und bürokratische Prozesse sind zu reduzieren oder zu beseitigen. Die Schulleitungen und Lehrpersonen müssen sich stärker auf ihre Kernaufgabe konzentrieren: Die Bildung und Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Um die Schulleitung, Schulverwaltung und Lehrpersonen zu entlasten, muss die Wahrnehmung von Stellvertretungen von Lehrpersonen entbürokratisiert werden. Wir werden das Vorstosspaket am 29. August im Grossen Rat einreichen. Ich bin schon jetzt auf die Position des Regierungsrats gespannt. Lesen Sie nun in der Folge die Details zu den einzelnen Vorstössen.
Vermitteln von Wissen als zentrale Aufgabe des Bildungswesens
Bildung ist der einzige Rohstoff unseres Landes. Sie trägt dazu bei, dass der Aargau zum attraktivsten Wirtschaftsstandort der Schweiz aufsteigen kann. Das ist das ehrgeizige Ziel der FDP-Fraktion, und muss eigentlich Ziel von uns allen sein: ein starker Aargau, eine starke Schweiz. An der Volksschule wird viel gute Arbeit geleistet. Aber es gibt handfeste Schwachpunkte, für die es dringend Lösungen braucht. Mit unseren Vorschlägen präsentieren wir Wege für eine Schule, die sich wieder auf ihr "Kerngeschäft" konzentrieren kann: das Vermitteln von Wissen.
Heinrich Zschokke, der liberale Denker, Volksbildner und Volksaufklärer wollte, dass jedes Kind unabhängig von seiner Herkunft optimale Startbedingungen für eine Schulzeit erhält, die für ein glückliches Leben vorbereitet. Von ihm stammt der Ausspruch "Volksbildung ist Volksfreiheit!". Er war überzeugt, dass die Menschen nur durch gute Bildung mündig und lebensfähig werden. Nebstdem ist die Volksschule ein wahre Integrationsmeisterin. Wie auch in der Armee treffen dort alle Gesellschaftsschichten aufeinander. Damit bildet die Volksschule den Kitt in unserer Gesellschaft.
Bildungspolitik ist Wirtschaftspolitik
Ohne starke (Berufs-)Bildung gibt es keine Innovation, ohne Innovation gibt es keine erfolgreiche Wirtschaft. Unser Bildungssystem schafft Innovation und ist somit für unser Land ein wahrer Wirtschaftsmotor.
Freude am Lernen durch Freude am Lehren
Die entscheidende Person im Schulzimmer ist die Lehrperson. Sie kann den Kindern und Jugendlichen die Motivation zum Lernen nur mitgeben, wenn sie das Feuer in sich selber spüren, gerne Schule gibt und in ihrem Schulalltag nicht überfordert wird. Oberstes Ziel jeder Schule, jeder Schulstunde soll sein: In jedem Kind die Freude am Lernen wecken. Das ist der Motor für das lebenslange Lernen.
Mit einer Motion fordern wir den Regierungsrat auf, aufzuzeigen, wie das Schuljahr neu strukturiert werden könnte, um die Unterrichtsstunden gemäss Stundentafel besser über das ganze Jahr zu verteilen und dadurch die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrpersonen zu entlasten, das Lernen zu fördern, die Zahl der unterrichtsfreien Wochen zu reduzieren und den vorhandenen Schulraum besser auszunützen. Ausgangslage
Seit Generationen besteht das Schuljahr aus rund 39 Unterrichtswochen und 13 Ferienwochen. Die Anzahl und Verteilung der Ferienwochen sind historisch gewachsen und orientierten sich ursprünglich am Bedarf der Landwirtschaft. Seither hat sich doch einiges geändert.
Im Unterschied zu früher müssen Kinder und Jugendliche heute kaum mehr im elterlichen Betrieb mithelfen. Es ist positiv, wenn Kinder ein Musikinstrument erlernen, einer sportlichen Aktivität nachgehen und Kontakte mit Gleichaltrigen pflegen. Gleichzeitig sollen sie aber auch Hausaufgaben erledigen, Lernstoff repetieren und sich auf Prüfungen vorbereiten. Das führt mitunter zu einer sehr hohen Belastung. Ausserdem weiss man heute, dass gerade in der Pubertät aufgrund der Entwicklung bei den Jugendlichen die Aufnahmefähigkeit am frühen Morgen sinkt und ein späterer Unterrichtsbesuch mehr brächte. Allerdings lässt sich der Schultag nicht einfach auf später verschieben, weil in der Regel am späteren Nachmittag die Musiklektionen etc. anfangen.
In den letzten Jahren sind neue Schulfächer eingeführt worden. Das führt dazu, dass etwa auf der Oberstufe die Schülerinnen und Schüler pro Woche über 14 unterschiedliche Fächer besuchen. Viele Fächer sind nur mit einer Lektion dotiert und es ist jeweils eine grosse Herausforderung sicherzustellen, dass die Schülerinnen und Schüler nach einer Woche noch wissen, was in der letzten Stunde behandelt worden ist. Während einzelne Fächer sinnvollerweise regelmässig unterrichtet werden, gibt es andere, die besser blockweise unterrichtet werden. Das ist aber mit den bestehenden Stundenplänen kaum möglich, da sie sich an den Wochenlektionen zu orientieren haben und die Lehrpersonen auf der Basis von Wochenlektionen angestellt sind.
Vorschlag FDP-Fraktion
Würden nun die bestehenden Pflichtlektionen auf mehr Schulwochen verteilt, so sänke die wöchentliche Belastung. Gleichzeitig reduzieren sich auch die unterrichtsfreien Wochen, was den berufstätigen Eltern entgegenkommen würde. Während Eltern in der Regel vier bis fünf Wochen Ferien haben, haben die Kinder und Jugendlichen während 13 Wochen Schulferien. Man versucht aktuell, die Kinder und Jugendlichen während der Schulzeit rund um die Uhr zu betreuen, dass sie aber während der Schulferien teilweise sich selbst überlassen werden, weil die Eltern arbeiten müssen, spielt dann keine Rolle.
Eine Reduktion der wöchentlichen Lektionenzahl und eine bessere Verteilung über das ganze Jahr würde auch die Lehrpersonen entlasten und könnte einige dazu bringen, ihr Pensum zu erhöhen. Wer heute in einem vollen Pensum unterrichtet, hat pro Woche weit mehr 42 Stunden Arbeit. Die Unterrichtslektionen gilt es vor- und nachzubereiten. Prüfungen sind zu schreiben und zu korrigieren. Lernfortschritte der Schülerinnen und Schüler sind zu dokumentieren und Gespräche mit Eltern, Fachleuten sowie Lernenden sind abzuhalten. Viele dieser Arbeiten lassen sich nur sehr schlecht in die unterrichtsfreie Zeit während der Schulferien verschieben, weil sie selten weit im Voraus geplant werden können. Das ist mit ein Grund, weshalb viele Lehrpersonen ihr Pensum reduziert haben und wir einen Fachkräftemangel haben. Gerade wenn sie noch eigene Kinder haben, brauchen sie die Schulferien für die Betreuung der eigenen Kinder.
Viele Gemeinden beschäftigen sich aktuell mit der Frage der Einführung einer Tagesschule. Es ist deshalb der richtige Zeitpunkt, um für ein Pilotprojekt die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Erfahrungen mit einem neu strukturierten Schuljahr gesammelt und allfällige Vorbehalte ubgebaut werden können. Die Motion ist bewusst offen gehalten, was die Umsetzung angeht, da es viele Lösungsmöglichkeiten gibt.
Einführung Abschlussprüfung am Ende der Volksschule
Dr. Titus Meier, Grossrat, Ressortleiter Bildung Kultur und Sport, Brugg
Optimale Voraussetzungen für weiteren Bildungsweg schaffen
Jedes Jahr schliessen Tausende Schülerinnen und Schüler die Volksschule ab, doch lassen ihre Zeugnisse kaum Rückschlüsse zu auf die erworbenen Fähigkeiten zu. Auch eine Vergleichbarkeit über die einzelnen Schulen hinweg ist nicht gegeben. Das Schulgesetz schreibt den Schulen zwar einen Selektionsauftrag vor, indem der erforderliche Notenschnitt für den Übertritt an eine weiterführende Schule vorgeben wird. Doch was dieser Notenwert aussagt, das liegt in der Freiheit der einzelnen Schulen. Damit gibt es auch keine Chancengerechtigkeit.
Sowohl beim Kanton wie auch bei den meisten Gemeinden stellen die Bildungsausgaben den grössten Ausgabenposten dar. Allein der Kanton Aargau gibt jedes Jahr rund eine Milliarde Franken für die Volksschule aus. Damit verbunden ist auch eine Erwartung in Bezug auf die Bildungsziele, die zu erreichen sind. Allerdings gibt es bislang kein Instrument, mit dem sich die Zielerreichung überprüfen liesse.
Bisherige Checks sind freiwillig
Die bisherigen Check S3 ersetzen keine Abschlussprüfung. Sie sind freiwillig und finden mitunter so spät statt, dass die Resultate erst vorliegen, nachdem die Schülerinnen und Schüler die Schule verlassen haben. Dieser muss zwingend verbessert werden.
Seit 2020/21 hat der Aargau den Lehrplan 21 gestaffelt eingeführt. In diesem Sommer verliess der erste Jahrgang die Aargauer Volksschule, der in der Oberstufe vollständig nach dem neuen Lehrplan unterrichtet worden ist. Wir wissen aber nicht, ob die damit verbundenen Ziele erreicht werden konnten.
Kantonsweiten Vergleich ermöglichen
Die Einführung einer kantonsweiten Abschlussprüfung pro Oberstufentyp setzt hier an: Während der Erarbeitung, Durchführung und Auswertung einer Abschlussprüfung müssen sich die Lehrpersonen über die einzelnen Schulstandorte hinweg absprechen, wie die Leistungen zu bewerten sind. Dieser Prozess hat bereits bei der Bezirksschulabschlussprüfung gezeigt, dass dadurch eine grössere Homogenität in der Beurteilung erreicht werden kann. Gleichzeitig sollen auch die Schulen der Sekundarstufe II in den Prozess einbezogen werden, um Schnittstellen zu klären.
Die Einführung einer kantonsweiten Abschlussprüfung soll auch dazu dienen, das letzte Schulhalbjahr in der Volksschule sinnvoll zu nützen und günstige Voraussetzungen zu schaffen, damit den Lernenden ein erfolgreicher Start in die Berufsfach- und Maturitätsschulen gelingt.
Konzentration auf Grundlagenfächer
Eine kantonsweite Abschlussprüfung kann nicht alle Fächer umfassen, sondern sollte sich in erster Linie auf die Grundlagenfächer konzentrieren. Die Form der Prüfung muss nicht zwingend schriftlich sein, sondern könnte als Ergänzung zum Check S3 beispielsweise auf mündliche Kompetenzen eingehen.
Motion betreffend Abbau von Bürokratie bei Stellvertretungen von Lehrpersonen Sprecher Silvan Hilfiker, Jonen Wir fordern, Bürokratie bei Stellvertretungen von Lehrpersonen abzubauen. Möchte bspw. eine Lehrperson beim Ausfall einer Kollegin zusätzlich drei Lektionen unterrichten, braucht es eine Anstellungsverfügung sowie einen handschriftlich unterzeichneten Anstellungsvertrag in zweifacher Ausführung. Dieser Vertrag muss im System erfasst werden und zum Abschluss braucht es noch ein Austrittsformular! Dieser Aufwand für minimale Pensen ist unverhältnismässig und muss reduziert werden.
Postulat betreffend der Überprüfung der integrativen Heilpädagogik Sprecher Silvan Hilfiker, Jonen Wir fordern den Regierungsrat auf, die integrative Heilpädagogik kritisch und differenziert zu prüfen und dem Grossen Rat mit einem Bericht mögliche Handlungsoptionen vorzulegen. Im Jahr 2016 wurde die integrative Heilpädagogik intensiv im Grossen Rat diskutiert. Bereits damals ging hervor, dass die integrative Schulung ihre Ziele verfehlt hat. Rückmeldungen aus dem Bildungsumfeld stärken unsere Absicht. Eine kritische Überprüfung dieser Schulform nach rund 14 Jahren ist somit längst überfällig.
Postulat zum Abbau von Bürokratie bei Klassenzuteilungen Sprecherin Jeanine Glarner, Möriken-Wildegg Der Regierungsrat soll aufzuzeigen, in welchen Fällen in Übereinstimmung mit der Verfassung die Anfechtbarkeit von Klassenzuteilungen eingeschränkt bzw. gänzlich abgeschafft werden kann. Denn der organisatorische Aufwand für die Schulleitungen vor Ort ist enorm. Mit der Anfechtbarkeit selbst von Klassenzuteilungen am selben Schulstandort (bspw. Bez 1a statt 1b) gibt es immer wieder langwierige Diskussionen und Einsprachen gegen Entscheide, die auf die Schullaufbahn eines Kindes keine Auswirkungen haben. Solche unnötige Bürokratie soll abgeschafft bzw. eingeschränkt werden.
Interpellation zur Verantwortlichkeit der Schulführung in den Gemeinden Sprecherin Jeanine Glarner, Möriken-Wildegg Die Volksschule braucht eine breite, gesellschaftliche Verankerung und Akzeptanz. Wir stellen aber zunehmend fest, dass in der Volksschule fragwürdige pädagogische Konzepte aus den pädagogischen Hochschulen heraus eingeführt werden, ohne dass diese einer demokratischen Legitimation unterliegen. Als Beispiele können genannt werden: Abschaffung von Schulnoten, Einführung von Lernlandschaften, Schreiben nach Gehör usw. Ganz offensichtlich braucht es hier eine dringende Klärung, weshalb wir ein paar Fragen an den Regierungsrat richten wie zum Beispiel: Wer entscheidet über das pädagogische Konzept an einer Schule? Wer bestimmt über den Einsatz von fragwürdigen NGO-Lehrmittel? Woher stammen Flächenvorgaben für den Schulhausbau?
Interpellation zur Förderung von Hochbegabten Sprecher Dr. Titus Meier, Brugg Im aktuellen Bildungsbericht wird die Förderung hochbegabter Kinder kaum erwähnt und auch in den gängigen Statistiken zu den Aargauer Schulen kommen sie nicht vor. Zwar kann unser dreistufiges Oberstufenmodell mit den unterschiedlichen Anforderungen einiges auffangen, doch eben nicht alles. Werden hochbegabte Kinder zu wenig gefordert, droht ein Verlust der Lern- und Leistungsmotivation bis hin zur Schulverweigerung. Da es wenig wahrscheinlich ist, dass es im Aargau keine hochbegabten Kinder gibt, stellen wir in einer Interpellation eine Reihe von Fragen, um mehr über die Situation im Aargau zu erfahren.
Save the date: Nächster Parteitag FDP Aargau
Mittwoch, 20. September 2023, 19:30 Uhr
Aarehaus, Rupperswil
Mobilisierung für die National- und Ständeratswahlen vom 22. Oktober 2023
U.a. mit Gastreferent Ludwig Hasler, Philosoph und Publizist